Währinger Bad: Schützt Gesetz vor Abriss?

Das alte Währinger Bad hat 2019 zugesperrt. Den Gründerzeitbau, in dem sich das Tröpferlbad befand, verkaufte die Stadt Wien an die Bundesimmobiliengesellschaft. Obwohl das Gebäude in einem ausgezeichneten Zustand ist, gab es Pläne für einen Totalabriss, um die benachbarte Schule zu erweitern.

Nach dem Erscheinen des Artikels wurden die Pläne vorgestellt. Das Gebäude des Bads bleibt erhalten, der für die benachbarte Schule benötige Turnsaal kommt aufs Dach des nebenliegenden Umspannwerks.

>Der 2019 erschienene Artikel wurde mehrfach aktualisiert (zuletzt im März 2025).

Tröpferlbad in Wien-Währing (18.Bezirk), Klostergasse 27
ehemaliges Währinger Bad in der Klostergasse 27 (Foto: 2019)

Badehaus aus der Gründerzeit

Die Geschichte der Wiener Tröpferlbäder beginnt gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mitten in den Boomjahren der Gründerzeit. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung vervierfachte sich die Bevölkerung Wiens von über 500.000 im Jahr 1846 auf mehr als 2 Millionen 1910. Um die katastrophalen Wohn- und Hygieneverhältnisse zu verbessern, richtete die Stadt spezielle öffentliche Bäder ein. Das erste dieser sogenannten Volksbäder eröffnete 1887, bis 1914 folgten 18 weitere.

Das Währinger Bad, das direkt am Marie-Ebner-Eschenbach-Park lag, war eines dieser alten Volksbäder. 1898 unter Bürgermeister Karl Lueger eröffnet, war es bis 2019 in Betrieb. Neben der Fassade ist auch das Stiegenhaus mit samt Geländer erhalten.

Tröpferlbad in Wien-Währing (18.Bezirk), Klostergasse 27
Foto: 2019

Erst 1995 generalsaniert

Außen und innen präsentiert sich das Gebäude heute in ausgezeichnetem Zustand. Einen großen Anteil daran dürfte die erst 1995 unter Bürgermeister Michael Häupl durchgeführte Generalsanierung haben, wie auf einer Plakette zu sehen war (Fotos unten). Die Plaketten wurden 2019 entfernt.

Das Gebäude ist in den über 120 Jahren seines Bestehens weder massiv verändert noch beschädigt worden. 2018 wurde beschlossen, dass das alte Tröpferlbad schließen muss. Es sei zu unrentabel geworden. Mit der Schließung geriet auch das Gebäude, in dem es sich befand, in Gefahr. 

Fassade des Währinger Bads, Wien
Foto: 2019

Alle Währinger Bezirksparteien haben der Schließung zugestimmt, wie das Protokoll der entsprechenden Sitzung zeigt:

aus dem Protokoll der Bezirksvertretungssitzung vom 20.9.2018

Bundesimmobiliengesellschaft wollte Abriss

Die Stadt Wien hat das Gebäude an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) verkauft, ein im Eigentum der Republik Österreich stehendes Unternehmen. Das Grundstück soll als Erweiterung für das daneben befindliche Gymnasium dienen. Doch der neue Eigentümer dachte offenbar nicht an den Erhalt des Gründerzeitgebäudes, wie noch 2018 gegenüber der Bezirkszeitung geäußert:

Anstelle des Währinger Bads planen wir den Bau eines Turnsaals für das Gymnasium Klostergasse. 

Um einen Abriss war aber nicht angesucht worden, wie von der Baupolizei zu erfahren war.

Abriss trotz Schutzzone?

Ganz so einfach wäre es mit einem Abriss aber ohnehin nicht, denn das Gebäude befindet sich in einer Schutzzone. Laut Gesetz sind Abbrüche von Häusern in Schutzzonen nur dann erlaubt, wenn „an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht“. Das trifft auf das Währinger Bad keinesfalls zu. Zudem wurde der Schutz historischer Gebäude mit einer Gesetzesnovelle 2018 generell verschärft. Dazu eine Presseaussendung der Stadtregierung:

Die so genannte technische Abbruchreife wird de facto abgeschafft und damit wird das „absichtliche Verfallenlassen“ von Häusern, um sie dann aus technischen Gründen abbrechen zu können, kaum mehr möglich sein.

Selbst bereits fix einkalkulierte Abrisse wurden durchaus nicht genehmigt, wie das Beispiel in der Liechtensteinstraße 100-102 (9. Bezirk) zeigt: Für den Bau eines Studentenheims sollte ein Gründerzeithaus abgerissen werden. Der Abriss wurde untersagt, das Haus bleibt.

So sagte Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) 2018:

Wien muss Wien bleiben. Gerade für eine moderne und wachsende Metropole ist es wichtig, dass wir unsere schönen und historisch gewachsenen Grätzl bewahren. Das ist uns bisher sehr gut gelungen – in keiner anderen Stadt in Europa sind so viele Gründerzeithäuser erhalten geblieben und mit Mitteln der Stadt saniert worden wie in Wien. Das soll auch so bleiben. Mit der neuen Regelung in der Bauordnung schieben wir den zunehmenden Begehrlichkeiten von Immobilienspekulanten, mit Abbrüchen viel Geld zu machen, einen Riegel vor.

Im 18. Bezirk stellen die Grünen die Bezirksvorstehung. Robert Zöchling, Bezirksvorsteher-Stellvertreter, sagte im Frühjahr 2019 zur Bezirkszeitung:

Wenn das Gebäude stadtbildrelevant ist, ist es zu schützen. Das Bad wird künftig für die Schule in Verwendung sein – wie genau, wird man nach dem Entscheid der MA 19 sehen.

Am Zug war dann die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung), die zum Ressort von Birgit Hebein (Grüne) gehört. Wenn die zuständigen Beamten den Abbruch untersagen, muss das Gebäude bleiben.

Ein Abriss wäre aber trotzdem im Prinzip möglich, wenn das Gebäude als „abbruchreif“ angesehen wird. Da die Abbruchreife einerseits durch private Gutachten festgestellt wird, andererseits das ganze Abbruchverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit und bar jedweder neutraler Beobachter stattfindet, ist letztlich unklar, inwieweit ein Haus wirklich nicht mehr sanierbar war oder nicht (siehe: I. Medizinische Klinik, Leopoldauer Platz 9 u. 11).

Im Falle des Währinger Bads erschien es zumindest recht eigenartig, dass offenbar bereits frühzeitig Planungen für einen Neubau liefen, während noch gar nicht klar war, ob einem Abbruch des Gebäudes überhaupt zugestimmt würde.

Hausnummer am Gebäude Klostergasse 27 in Wien-Währing
Foto: 2019

Bad wird ausgeräumt

Im September 2019 wurde die gesamte Einrichtung im Inneren entfernt, einschließlich Brausen und Möbeln. Was mit dem Gebäude geschehen sollte, war zu dieser Zeit noch nicht entschieden, wie der ORF berichtete:

Das brauchbare Inventar kommt in anderen städtischen Bädern zum Einsatz. (…) Was mit dem Gebäude an sich passiert ist derzeit noch unklar. Die angrenzende AHS Klostergasse platzt aus allen Nähten und soll bis 2023 erweitert werden. Ob dafür das ehemalige Tröpferlbad Währing abgerissen oder umgebaut wird, wird noch zwischen Stadt Wien und der Bundesimmobiliengesellschaft, der das Haus jetzt gehört, verhandelt.

Gründerzeithaus gerettet?

Nachdem von den Verhandlungen monatelang nichts an die Öffentlichkeit gedrungen war, ließ die Währinger Bezirksvorstehung – Bezirkvorsteherin Silvia Nossek (Grüne) – im Oktober 2020 mit einer Einigung aufhorchen:

Das Gymnasium Klostergasse benötigt schon lange einen neuen Turnsaal. Doch immer wieder hakte es aufgrund der Rahmenbedingungen und der vielfältigen Beteiligten. „Durchs Reden kommen die Leut zam“, dachte sich unsere Bezirksvorsteherin Silvia Nossek und brachte Schule, Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), MA19, Bundesdenkmalamt und Wiener Netze an einen Tisch, um gemeinsam eine brauchbare Lösung zu erarbeiten.

Und siehe da: Der neue Turnsaal kann auf dem Dach des Wiener Netze-Gebäudes errichtet werden. Und für die Verbindungen zwischen jetzigem Schulgebäude, Gebäude des ehemaligen Währinger Bads und dem neuen Turnsaal wurden brauchbare Rahmenbedingungen für den nun anstehenden Architekturwettbewerb definiert. Dieser findet jetzt im Herbst statt, der Planungsprozess startet dann mit dem neuen Jahr. 

Das heißt: Der ursprüngliche Plan, das Gründerzeithaus abzureißen und an seiner Stelle den Turnsaal zu errichten, ist hinfällig. Dass das Gebäude erhalten bleibt, bestätigt die Bezirksvorstehung ausdrücklich:

Ausschnitt aus der Facebook-Seite der Bezirksvorstehung Währing
Auf der Facebook-Seite der Bezirksvorstehung Währing wird der Erhalt des Gebäudes bestätigt. (9.10.2020)

Die nächsten Fragen sind: Was bleibt beim Umbau erhalten und was nicht? Werden die Gründerzeitfassade und das schöne Türmchen zur Gänze bleiben? Wird auch das Stiegenhaus mit seinem schönen Geländer erhalten werden?

Foto: 2020

2025: Umbau im Gange

Im Frühjahr 2025 liefen Bauarbeiten. Die Schule übersiedelte im Februar temporär in ein anderes Gebäude. Das Gebäude des ehemaligen Tröpferlbads präsentierte sich immer noch äußerlich unverändert und wird es auch bleiben. Der Umbau der Schule erfolgt nach Plänen von Y F architekten.

Die Bundesimmobiliengesellschaft über den Umbau:

Im erweiterten ehemaligen Tröpferlbad wird im Erdgeschoß die Direktion samt Verwaltung angesiedelt. Im ersten Obergeschoß sind Räume für das Lehrpersonal geplant. Dort findet sich auch der Durchgang zum auf dem Umspannwerk aufsitzenden Turnsaal inklusive Garderoben. Das zweite Obergeschoß bietet großzügige Pausenflächen sowohl im Gebäudeinneren als auch auf den begrünten Dachflächen. [1]

Wiener Tröpferlbäder: Da waren's nur noch vier

Von den historischen 18 Tröpferlbädern sind nur vier als Sauna- und Brausebäder bis heute in Betrieb. Das allererste Tröpferlbad Wiens (Mondscheingasse 9 im 7. Bezirk) wurde in den 1930ern abgerissen und durch einen architektonisch durchaus interessanten Gemeindebau ersetzt (Fotos unten). Auch das Volksbad Mariahilf gibt es schon lange nicht mehr.

Die alten Gebäude des Thaliabads in Ottakring traf die Abrissbirne in den 1980ern – ein schwerer Verlust. Heute steht hier ein unauffälliges Neubau-Wohnhaus samt kleinem Brausebad.

Vom 1906 erbauten Bad in der Floridsdorfer Weisselgasse Nr. 5 (Ecke Brünner Straße) erinnert zumindest noch ein kleiner Rest der alten Fassade. Das auf Pläne des Jugendstil-Architekten Friedrich Dietz von Weidenberg zurückgehende Gebäude wurde erst vor wenigen Jahren weitgehend abgerissen:

Mehr Glück hatte das 1926 erbaute Apostelbad im 3. Bezirk. Das architektonisch besonders interessante Badehaus ist bis heute in Betrieb und steht unter Denkmalschutz. Auch das Penzinger Bad (Baujahr 1905), das von außen stark an sein Währinger Pendant erinnert, ist immer noch geöffnet. Ebenfalls erhalten sind die Tröpferlbäder am Einsiedlerplatz und in der Hermanngasse 28.

Das Meidlinger Ratschkybad und das Volksbad Wieden gibt es heute zwar nicht mehr, die Gebäude stehen aber immer noch und werden anderweitig genutzt.

Kontakte zu Stadt & Politik

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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.
Die Bezirksvertretungen sind die Parlamente der Bezirke. Die Parteien in den Bezirksvertretungen werden von der Bezirksbevölkerung gewählt, meist gleichzeitig mit dem Gemeinderat. Jede Partei in einem Bezirk kann Anträge und Anfragen stellen. Findet ein Antrag eine Mehrheit, geht er als Wunsch des Bezirks an die zuständigen Stadträte im Rathaus. (Die Reihung der Parteien in der obigen Liste orientiert sich an der Anzahl der Sitze in der Bezirksvertretung im Dezember 2020.)
+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen und weitere Infos

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