Wien hat ein neues Hotel. Das Hotel Bassena in Kagran wird beworben als „Schmelztiegel der Gegensätze“, „trendig und elegant“. Was für das Innere durchaus stimmen mag, macht sich außen nicht bemerkbar: Das Gebäude zeichnet sich aus durch graue Plattenbau-Ästhetik und Monotonie. Tourist, hier gibt es nichts zu sehen!
Dieser Artikel wurde im März 2024 aktualisiert.
Neue Hochhäuser in Kagran
Es sind keine kleinen Namen, die in Kagran bauen. Der Immobilienkonzern Signa von René Benko und die ARE, die zur staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft gehört, haben einen ehemaligen Parkplatz in ein Bruttogeschoßflächen-Eldorado verwandelt. Das Projekt Vienna TwentyTwo am Dr.-Adolf-Schärf-Platz liegt direkt gegenüber dem Donauzentrum und ist nur wenige Minuten von der Donaucity und der alten Donau entfernt. Für das als „Multi-Use-Ensemble“ und „neues Wahrzeichen“ vermarktete Bauprojekt hatte die Stadtregierung 2015 sogar die Flächenwidmung umfassend geändert. Seither sind Hochhäuser erlaubt.
Errichtet wurden ein Wohnturm mit 110 Metern Höhe, ein 150 Meter hohes Büro- und Wohnhaus, ein Hotel und ein Gebäude, in dem künftig das Bezirksamt des 22. Bezirk einquartiert ist. Ein weiteres Hochhaus folgt noch. Alle haben ein Nachhaltigkeits-Zertifikat bekommen (ÖGNI-Vorzertifikat). Einige Gebäude, darunter das Hotel, wurden bereits an Investoren weiterverkauft.
Hotel Bassena: Plattenbau anno 2022
In alten Mietshäusern bezeichnet Bassena eine für alle nutzbare Wasserstelle. Im Falle Kagrans handelt es sich um ein Hotel der von Verkehrsbüro Hospitality betriebenen Kette mit 198 Zimmern. Warum gerade dieses Gebäude eine intensivere Auseinandersetzung verdient: Es steht mit seiner Gestaltung beispielhaft für den Wiener Immobilienmarkt. Minimalistische Architektur, graue Farben und eine schlichte Kubatur – ein zeitgemäßes urbanes Statement?
Entwurf von bekanntem Architekturbüro
Alle sechs Gebäude wurden vom renommierten Wiener Architekturbüro Delugan Meissl entworfen. Das Architekturbüro ist über Österreich hinaus bekannt für seine hochwertigen Entwürfe. Elke Delugan-Meissl ist seit 2017 auch Vorsitzende des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung, der neue Flächenwidmungspläne begutachtet. Das Architekturbüro beschreibt das Projekt auf seiner Webseite so:
Die ästhetische Individualität der Gebäude ergibt sich auf den ersten Blick aus ihrer unterschiedlichen Höhe und der skulpturalen Gestaltung ihrer Fassaden (…) Darüber hinaus suggeriert die Palette fein variierender Grautöne subtil die visuelle Analogie einer homogenen Struktur (…) Die hohe Dichte und das breite Nutzungsspektrum in Verbindung mit den örtlichen Geschäften und Restaurants tragen zur dynamischen Vielfalt eines eigenständigen Stadtquartiers bei (…)
Jedes Architekturbüro kann nur so weit planen und kreativ sein, wie es der Auftraggeber zulässt – in diesem Fall ARE und Signa. Soll mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel gebaut werden, können auch die erfahrensten Architekten keine Kunststücke vollbringen. Wie es sich bei Vienna TwentyTwo hinter den Kulissen verhalten hat, lässt sich nicht sagen. Die reduzierte Gestaltung ist aber bereits im Rendering angelegt (siehe unten).
Im Vergleich mit anderen Städten und Hochhäusern wird deutlich, dass hier so viel mehr möglich gewesen wäre. So muss sich das ganze Projekt einige Fragen gefallen lassen: Braucht es in Wien noch mehr Büroflächen? Wie viele hochpreisige Wohnungen sind an diesem Standort wirklich sinnvoll? Wer soll hier wohnen?
Vor allem: Was hat die Allgemeinheit von diesem neuen Stadtteil? Wer in Stadtverwaltung und Politik hat eigentlich sichergestellt, dass das Ergebnis die Stadt auch langfristig funktional und ästhetisch bereichert? Immerhin hat der Wiener Gemeinderat diese Entwicklung überhaupt erst ermöglicht.
Das Hotelgebäude vermittelt den Eindruck, als hätte der Sparstift die Oberhand behalten. Das ist äußerst verwunderlich, denn die beteiligten Bauträger sind sonst für ihre aufwendigen und alles andere als kostengünstigen Projekte bekannt. Vielleicht sieht es im Inneren des Hotels ganz anders aus. Doch selbst wenn, bleibt immer noch ein Gebäude mit fast an sowjetische Architektur erinnernder Ästhetik dauerhaft im Stadtbild verankert. Ob das von Anfang an das Ziel der Planer war oder ob die Investoren einfach kostengünstig möglichst viel Fläche bauen wollten, ist eigentlich zweitrangig. Eine Stadt mit so reicher baukünstlerischer Tradition hätte mehr verdient. Vor allem im Zentrum eines Bezirks, der alleine mehr Einwohner hat als andere Städte gesamt.
Kagraner Monotonie
Das gesamte Neubauquartier durchzieht eine Architektursprache, die für Wien nicht untypisch ist: große blockhafte Kubaturen, monochrome Farben und fehlende Kleinteiligkeit sind eher die Regel als die Ausnahme. Beim weißen Wohnturm wurde immerhin eine gewisse Struktur in die Fassade gebracht. Beim Hotelgebäude fehlt aber auch das. Es ist in gewisser Weise schon vor seiner Fertigstellung bereits wieder veraltet.
Plattenbau lässt grüßen
Wenn es bei der Planung des Gebäudes darum ging, vergangene Architekturperioden zu kopieren, dann waren die 1960-1970er vielleicht nicht die spannendste Wahl. Zumindest nicht die damals gängigen Großwohnanlagen, vulgo Plattenbauten. Interessanter wäre es gewesen, sich an den eleganten Hochhäusern der 1930er Anleihen zu nehmen, etwa am Nebotičnik in Ljubljana (Slowenien) oder am Boerentoren im belgischen Antwerpen. Ein Blick auf die niederländische Gegenwartsarchitektur wäre auch lohnenswert gewesen (siehe ganz unten im Artikel).
Das Donaustädter Bezirksamt ist vom erst um 1970 erbauten – und zum Abriss vorgesehenen – Bezirkszentrum ins Vienna TwentyTwo übersiedelt. Dafür wird ein Bürokubus angemietet, der in einem an die 1970er angelehnten Stil gehalten ist. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die für ihre konservative Verkehrspolitik bekannte Bezirksvorstehung ausgerechnet in ein Gebäude zieht, das an eine Zeit erinnert, in der die autogerechte Stadt noch das uneingeschränkte Ziel der Stadtplanung war.
Eröffnung 2023
Anfang 2023 wurde das Hotel eröffnet: „Nach 2,5 Jahren Bauzeit eröffnete das Bassena Wien Donaustadt mit 198 Zimmern, Bibliothek, Küche, Fitnesscenter und Wintergarten. Mitten im Stadtentwicklungsgebiet Vienna Twentytwo nahe UNO-City und Austria Center sollen sich hier alle Gäste wohl fühlen“, wie meinbezirk.at berichtete. Der Betreiber des Hotels – das Verkehrsbüro – schreibt anlässlich der Eröffnung:
Das trendige City Quartier BASSENA Wien Donaustadt überzeugt mit Wohlfühlcharakter und einem hohen Designanspruch.
Hotel-Architektur: Es geht auch anders
Das Hotel Bassena könnte mit seinem Minimalismus den Eindruck vermitteln, als sei Hotel-Architektur auf bloßen Funktionalismus reduziert. Nichts könnte ferner der Realität liegen. In allen Jahrzehnten wurden herausragende Hotels gebaut. Hunderte interessante Beispiele ließen sich finden. Hier ein paar aus der High-End-Kategorie:
Hochhäuser: Alles andere als eintönig
Hochhäuser sorgen in Wien regelmäßig für Diskussionen. Beliebt sind sie nicht. Das hat unter anderem wohl zwei Gründe: Der Bau von Hochhäusern an völlig ungeeigneten Standorten, zum Beispiel Wien Mitte. Und die teils ausdrucksarme Architektur. In letzterem Punkt ist ein Blick in die Niederlande interessant, wo die neuere Architektur außerordentlich interessante Wege eingeschlagen hat:
Neubauten in Wien, quo vadis?
WienSchauen berichtet regelmäßig über die Wiener Neubauarchitektur, auch im Standard. Dass dabei oft ein kritischer Zugang gewählt wird, hat seinen Grund, denn die Diskussion über Baukultur findet einfach viel zu wenig statt. Ungemein mehr Raum hat die Immobilienwirtschaft, deren Einfluss auf Politik und Medien nicht unterschätzt werden darf. Durch ihre enormen wirtschaftlichen Möglichkeiten können Bauträger und Investoren ihre Vorstellungen von Architektur und Wohnen vielfach ungehindert durchsetzen (siehe auch die Studie der Arbeiterkammer von 2022). Dazu gehören auch Werbeeinschaltungen und aufwendig durchdesignte Immo-Beilagen, von denen Printmedien stark profitieren. Die einschlägige Werbesprache ist oft eher ein beredtes Zeugnis fähiger Marketingabteilungen als ein Verweis auf das Vorhandensein gestalterisch hochwertiger Produkte. Statt qualitätssichernd einzugreifen beschränkt sich die Wiener Stadtregierung darauf, Eigentümer dazu zu zwingen, unabhängig von der Nachfrage Garagenplätze zu bauen, was nicht zuletzt hohe Baukosten und entsprechenden Autoverkehr generiert.
Es braucht also ein Umdenken auf höchster Ebene. In Wien eine Reform der Bauordnung und der Garagenpflicht. Im Bund eine Überprüfung der laufend wachsenden Normen, die das Bauen auch nicht gerade einfacher machen und die Kreativität von Planern hemmen. Es gibt viel zu tun.
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Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Fotos, Infos
- Neues Bassena Hotel eröffnet in der Donaustadt (meinbezirk.at, 18.1.2023)
- BASSENA dreht auf: VERKEHRSBUERO HOSPITALITY eröffnet neues Hotel BASSENA Wien Donaustadt (Presseaussendung des Hotelbetreibers, 17.1.2023)
- Luxus Wohnen: Maxi Preis, mini Qualität (Arbeiterkammer Wien, 14.9.2022)
- Vienna TwentyTwo: Vier Bauteile an Investoren verkauft (Der Standard, 20.5.2022)
- Baustart für 155-Meter-Turm V22 (ORF, 5.12.2021)
- Neues Quartier in Kagran (meinbezirk.at, 29.3.2021)
- VIENNA TWENTYTWO: Otto Immobilien vermietet exklusiv Retail- und Gastroflächen (Presseaussendung mit Renderings, 25.2.2020)
- Vienna TWENTYTWO auf der Webseite des planenden Architekturbüros Delugan Meissl
- Foto Carlton Hotel in Amsterdam (2016): Fred Romero, CC BY 2.0
- Foto Hilton in Den Haag (2010): Roel Wijnants, CC BY-NC 2.0
- Foto Bella Sky Hotel in Kopenhagen (2010): Fred Romero, CC BY 2.0
- Foto DoubleTree Hotel in Amsterdam (2019): Warren LeMay, CC0
- Foto Hotel Adlon in Berlin (2015): Tom Stromer, CC BY-NC 2.0
- Foto Symphony Office Tower in Amsterdam (2016): Fred Romero, CC BY 2.0
- Foto „Valley“ in Zuidas/Amsterdam (2021): Rob Oo, CC BY 2.0
- Foto `t Haegsch Hof in Den Haag (2018): Roel Wijnants, CC BY-NC 2.0
- Foto De Kroon, JuBi in Den Haag (2014): Roel Wijnants, CC BY-NC 2.0
- Foto Woontorens Grotius in Den Haag (2022): Roel Wijnants, CC BY-NC 2.0
- Foto Nebotičnik (2019): Kajjeblo, Skyscraper LJ, CC BY-SA 4.0
- Foto Boerentoren (2021): Jean Housen, 20210621 antwerpen180, CC BY-SA 4.0
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