Stafa: Die vielen Gesichter eines alten Kaufhauses

Das Kaufhaus Stafa in der Mariahilfer Straße ist eines der wenigen alten Kaufhäuser Wiens, das sich bis heute erhalten hat – zumindest in groben Zügen. Allzu glücklich ist es mit dem Gebäude aber nie gelaufen. Immer wieder kam es zu Geschäftspleiten. Mehrmals in seiner Geschichte wurde das charakteristisch runde Gebäude komplett umgebaut, zuletzt im Jahr 2016. Die ursprüngliche Fassade wurde aber nie rekonstruiert.

Kaufhaus Stafa in der Mariahilfer Straße um 1900, 2013 und 2022
Kaufhaus Stafa im Wandel der Zeit

Mariahilfer Zentralpalast

Das heute als „Stafa“ bekannte Kaufhaus hat nicht nur seinen Namen geändert, sondern mehrmals auch seine äußere Gestalt. Es wurde 1910 als „Mariahilfer Zentralpalast“ erbaut. Die Pläne entwarf der Architekt und christlich-soziale Politiker Jakob Wohlschläger (1869-1934), der auch als Bauherr fungierte. Nur wenige Jahre nach der Eröffnung ging das Warenhaus in Konkurs.

Laut dem Architektenlexikon war das Gebäude ursprünglich als Wohn- und Bürohaus geplant. Es wurde aber in ein gewerblich genutztes Gebäude umgewandelt …

… um Kleingewerbetreibenden, die sich genossenschaftlich organisiert hatten, Verkaufslokale anzubieten. Darüber hinaus umfasste der Bau auch Räumlichkeiten für Musterausstellungen, Konzerte, Restaurants und ähnliches, sogar ein Automatenbüffet wurde hier erstmals installiert. Um allen diesen Anforderungen zu genügen, wurde ein zylindrischer Baukörper gewählt, in dem die die entsprechenden Räumlichkeiten in mehreren Etagen kreisförmig angeordnet waren und die Beleuchtung über einen glasüberdachten Innenhof gewährleistet sein sollte. Diese ungewöhnliche Strukturierung des Baus erforderte eine anspruchsvolle Konstruktion in Eisenbeton (…) Die betont konservative Außengestaltung, die mit Skulpturen von Anton Hanak angereichert war, stand jedoch in einem scharfen Kontrast zu dieser fortschrittlichen Technologie.

altes Foto des Warenhauses Stafa auf der Mariahilferstraße in Wien
Mariahilfer Zentralpalast im Originalzustand (Foto: vor 1928, Wien Museum, Inv.-Nr. 239072, CC0)

Anlässlich der Eröffnung im Jahr 1911 schrieb die Arbeiter-Zeitung:

In der Mariahilferstraße war gestern Nachmittags und Abends der Verkehr noch bedeutend lebhafter als sonst. Viele Tausende von Menschen strömten in das neue Kaufhaus an der Ecke der Mariahilfer- und der Kaiserstraße, um es zu besichtigen (…)

Das Kaufhaus, das sich Mariahilfer Zentralpalast nennt, weicht von den übrigen Warenhäusern dadurch ab, daß es nicht ein einziges Geschäft darstellt und daß darum auch nicht der Besitzer des Gebäudes das Geschäft betreibt (…) Das Gebäude, das sechs Stockwerke hoch ist und sehr imponierend wirkt, ist ein Rundbau. In ihm sind etwa hundert einzelne Geschäfte der verschiedensten Branchen untergebracht, zumeist solche von bekannten Wiener Handelsfirmen und größeren Erzeugern. Man kann in dem Kaufhause Waren fast jeglicher Art kaufen, auch Ölgemälde und Skulpturen (…)

Einen verhältnismäßig großen Teil des Hauses füllen die Erfrischungsräume aus. Es gibt da nicht nur ein Büffet, sondern auch ein Kaffeehaus und sogar ein Spielzimmer. Nachmittags spielt Musik. Auch auf dem Dachplateau gibt es Gelegenheiten zur Erfrischung, und man kann bis auf die Dachzinne steigen, von wo man einen weiten Ausblick genießt. Im Souterrain wird ein vollständiges Gasthaus eingerichtet werden (…)

Wenn auch das neue Haus die Konzentration des Kapitals in der Hand eines Besitzers nicht im selben Maße ausdrückt wie die übrigen Warenhäuser; unstreitig wirkt es fast so wie diese. Es ist als ein Stück praktischer Mittelstandspolitik gedacht. Aber auch diese Politik, die nur etwas bedeutet, wenn sie über Phrasendunst hinausgeht, kann die Tendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung nicht hemmen (…)

1925 erschien dieser Artikel:

Zeitungsartikel von 1925 über das Warenhaus Stafa in der Mariahilferstraße
Zeitungsartikel über das Warenhaus Stafa (Quelle: "Wiener Bilder", 14.6.1925, S. 13, ÖNB)

Auf dem Foto unten wird nicht nur die anspruchsvolle Architektur des Warenhauses, sondern auch das hohe Niveau der Stadtgestaltung deutlich (Straßenlaternen, Masten usw.).

Straßenbahnlinie 52 und Kaufhaus "Stafa" mit Originalfassade, Mariahilferstraße, Zwischenkriegszeit
um 1935: Straßenbahnlinie 52 und Kaufhaus "Stafa" mit Originalfassade; Pflasterung und Straßenlaternen später entfernt (Foto: ÖNB)

Radikalumbau um 1950

In den 1930ern war das Haus noch in seinem Originalzustand. Davon war zwanzig Jahre später nicht mehr viel zu sehen. Auf einen unmittelbaren Kriegsschaden dürfte der Umbau nicht zurückzuführen sein (im Kriegsschadenplan ist die Adresse als unbeschädigt eingetragen).

Verkehr vor dem Kaufhaus Stafa in der Mariahilferstraße, Ecke Kaiserstraße, Wien, altes Foto
um 1955: Verkehr vor dem Kaufhaus Stafa, Fassade stark vereinfacht/umgebaut (Foto: ÖNB/Cermak)

Ein Luftbild aus den 1950ern:

Luftaufnahme der Mariahilfer Straße mit dem Kaufhaus Stafa an der Ecke Kaiserstraße
1957: Mariahilfer Straße mit Kaufhaus Stafa (Foto: WStLA/Bilderdienst der Stadt Wien)

Zwischen den 1950ern und 1970ern hat sich das Gebäude nicht wesentlich verändert.

Zwischen den 1970ern und den 1990ern wurde nur der Eingangsbereich ein wenig umgebaut; dazu kam ein blauer Anstrich.

Umbau - ohne Rekonstruktion

Auch bei den letzten Umbauten wurde nicht auf die ursprüngliche Architektur zurückgegriffen. Aktuell ist das Kaufhaus durch eine dunkle Fassade mit verspiegelten Fenstern gekennzeichnet. Auftraggeber des Umbaus ist die Richard Schöps & Co. AG. Planende Architekten sind BEHF aus Wien, die das Projekt so beschreiben:

[A]us dem ehemaligen Kaufhaus wurde ein Drei-Sterne-Hotel mit Einkaufs- und Büroflächen. Der neungeschossige, markante Rundbau mit zwei Seitenflügeln beherbergt nun im Untergeschoss, Erdgeschoss sowie in den ersten beiden Etagen Geschäftsflächen. Die darüber liegenden sieben Etagen werden als Hotel mit rund 190 Zimmern genutzt (…) In den beiden gestaffelten Dachetagen befindet sich ein Restaurant, der Frühstücksraum und eine Terrasse mit einem schönen Blick über Wien.

Auffallend ist die völlig neu gestaltete Fassade, deren vorgesetzte Glaspaneele die ursprüngliche Rasterung der Lochfassade aufnehmen und nicht nur als Schallschutz dienen, sondern das Gebäude mit einer unverwechselbaren zeitgemäßen Ausstrahlung ausstatten. Die blau spiegelnden Scheiben bilden einen Kontrast zu den orange-ocker farbigen Relieftafeln des Wiener Bildhauers Anton Hanak (…) Bei Einbruch der Dunkelheit verändert sich das Erscheinungsbild des Gebäudes grundlegend: dann akzentuiert das minimalistische Beleuchtungskonzept die Rasterung der Fassade.

Ein freistehender Glasschirm in Höhe der Sockelzone verbindet die Gebäudeteile von der Kaiserstraße zur Mariahilfer Straße zu einer städteräumlichen Einheit und ergänzt so den Solitär zu einer gläsernen Blockrandbebauung.

Das aktuelle Erscheinungsbild ist für die Wiener Gegenwartsarchitektur nicht untypisch: eine glatte graue Fassade und verspiegelte Fenster. Ein zeitgenössischer Gestus, der eine bestimmte Art von Modernität erzeugt, dabei aber auch etwas kalt wirkt. Ob es nicht mutiger gewesen wäre, den Ursprungszustand wiederherzustellen – zumindest äußerlich?

Fassade des Kaufhauses Stafa in der Mariahilfer Straße 120, Glasfassade
Stafa im Jahr 2022: graue Fassade und verspiegeltes Glas

Die Überreste der alten Fassade

Neben der runden Form sind noch die Reliefs geblieben, die an das einstige Erscheinungsbild des Gebäudes erinnern. Durch den Umbau wurden sie wieder sichtbar.

Infos

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

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