Gleich drei Altbauten nahe Mariahilfer Straße und Westbahnhof stehen vor dem Abriss. Dabei sieht die Magistratsabteilung für Architektur die Häuser als erhaltenswert an. Trotzdem hat die Baubehörde den Abriss erlaubt.
Der Abriss der Gebäude hat im September 2024 begonnen (Info und Absatz ganz unten nach dem Erscheinen des Artikels hinzugefügt).
Sanierte Altbauten "abbruchreif"?
Die Wiener Politik betont seit Jahren, Altbauten besser zu schützen und Sanierungen fördern zu wollen. In der Realität zeigt sich aber oft ein ganz anderes Bild. Immer wieder werden nachweislich erhaltenswerte Häuser abgerissen, oft mit der Begründung „Abbruchreife“. Der 15. Bezirk ist besonders stark betroffen.
In der Rosinagasse, einer Seitengasse der Mariahilfer Straße, sollen drei nebeneinanderliegende Häuser demoliert werden. Dabei sind zumindest die Fassaden in gut saniertem Zustand, augenscheinlich auch die Dächer. Auch die Fenster dürften nicht allzu alt sein. Alle drei Häuser sind wahrscheinlich aus der Biedermeierzeit – errichtet also etwa im frühen bis mittleren 19. Jahrhundert. Wie original die Häuser und der Dekor um die Fenster erhalten sind, lässt sich nicht sagen. Bei sehr alten Häusern ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch die Fassaden irgendwann verändert worden sind (bis hin zu kompletten Neufassadierungen).
Sollen vor 1945 erbaute Häuser abgerissen werden, braucht es eine Zustimmung der Magistratsabteilung für Architektur (MA 19). Die MA 19 hatte die Zustimmung zum Abbruch der Altbauten in der Rosinagasse verweigert. Doch diese Entscheidung wurde umgangen. Die Gebäude seien „abbruchreif“. Ein Neubau ist bereits bewilligt.
Abbruchreife liegt rechtlich gesehen dann vor, wenn eine Sanierung wirtschaftlich nicht möglich sei. Herangezogen werden dafür die potenziellen Mieteinnahmen. Kritik wird häufig an der Grundlage der Berechnung laut: Die Behörden – namentlich die MA 25 – stützen sich nämlich üblicherweise auf von Bauträgern beauftragte Privatgutachten. Immer wieder ist zu hören, es gäbe Gutachter, die leichtfertig Abbruchreife bescheinigten. Hinter vorgehaltener Hand wird auch von einem Geschäftsmodell gesprochen. Von außen kann all das freilich nicht nachgeprüft werden, zumal Amtsgeheimnis und Datenschutz gelten.
Mit Abbruchverfahren sind vor allem die MA 25 (Technische Stadterneuerung) und die MA 37 (Baupolizei) befasst. Die politische Zuständigkeit liegt im von der SPÖ geführten Wohnbauressort. Das Wohnbauressort wird von Stadträtin Kathrin Gaál geleitet, die das Amt 2018 von Michael Ludwig übernommen hat.
Unabhängig davon tragen zwei Faktoren wohl zum Abriss bei:
- Der vom Wiener Gemeinderat beschlossene Bebauungsplan sieht deutlich größere Gebäude für diese Adressen vor.
- Im Mietrecht sind Altbaumieten stark reglementiert, Neubaumieten aber nicht. Das schafft starke Anreize, Altbauten durch Neubauten zu ersetzen. (Natürlich können Altbauten von Bauträgern auch saniert, aufgestockt und die Wohnungen einzeln an Eigennutzer abverkauft werden. Das Mietrecht fördert das indirekt auch.)
Wiener Gesetze wirkungslos?
In Wien sind Gebäude nur dann einigermaßen sicher, wenn sie unter Denkmalschutz stehen. Denkmalschutz fällt in die Zuständigkeit des Bundes und nicht der Stadt Wien. Aber Denkmalschutz ist gesetzlich sehr eng definiert. Somit erfüllen nur vergleichsweise wenige Häuser diese strengen Auflagen. Die allermeisten Gebäude – auch viele für Wien typische Gründerzeithäuser – lassen sich per Denkmalschutz nicht schützen. Deswegen gibt es im Wiener Baurecht seit den 1970ern Ortsbild-Schutzzonen. Seit Mitte 2018 erhalten auch alle vor 1945 erbauten Häuser einen gewissen Schutz. Doch beides funktioniert in der Praxis häufig nicht, denn Abrisse wegen angeblicher Abbruchreife sind weiterhin möglich. Beispiele: Pötzleinsdorfer Straße 90, Gentzgasse 4, Leopoldauer Platz 9 und 11, Krieglergasse 12, Hohenbergstraße 18, Donaufelder Straße 193, Kaiserstraße 31, Braungasse 30, Fleischerei des Otto-Wagner-Spitals, Gudrunstraße 120, I. Medizinische Klinik, Bauernmarkt 21, Kai-Palast, Hernalser Hauptstraße 59-61 u.v.m.
Abrissbezirk Rudolfsheim-Fünfhaus
Der 15. Bezirk ist durch seine hervorragende Lage seit vielen Jahren ein begehrtes Ziel von Investoren. Einerseits werden erfreulicherweise viele Häuser saniert und aufgestockt, was den Erhalt für viele Jahrzehnte absichert und oft zusätzlichen Wohnraum schafft. Andererseits kommt es auch zu Hausabrissen. Beispiele: Sperrgasse 13, Kranzgasse 24, Mariahilfer Gürtel 33, Hackengasse 11, Sperrgasse 15, Turnergasse 24 und 26, Turnergasse 33, Mariahilfer Straße 166-168, Stättermayergasse 15, Neubaugürtel 15, Goldschlagstraße 54, Linke Wienzeile 212.
Abriss 2024
Mit dem obigen Absatz endete der 2023 veröffentlichte Artikel ursprünglich. Auch ein paar Monate später sah in der Rosinagasse noch alles unauffällig aus:
Im September 2024 wurde schließlich mit dem Abriss begonnen.
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(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
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