Ein Gründerzeithaus zwischen Schönbrunn und Meidlinger Hauptstraße darf abgerissen werden. Wieder einmal hat die Baubehörde den Abbruch eines erhaltungswürdigen Hauses genehmigt.
Dieser Artikel wurde mehrmals aktualisiert (zuletzt im April 2024).
Gründerzeithaus "abbruchreif"?
Warum werden manche Häuser eher abgerissen als andere? Neben den Fragen von Bauzustand und dem oft kritisierten Mietrecht fällt ein Punkt besonders auf: Erlaubt der Bebauungsplan mehr Fläche – also höhere Gebäude und mehr Stockwerke – und gilt keine Ortsbild-Schutzzone, dann wird ein Abbruch wahrscheinlicher. Vielleicht hat das auch dazu beigetragen, dass für das Gründerzeithaus in der Pohlgasse 36 um Abriss angesucht wurde. Der Abriss des schutzwürdigen Hauses ist bereits genehmigt. Das Wohnbauressort gibt angebliche Abbruchreife als Begründung für die Genehmigung an. Abbruchreife bedeutet, dass ein Haus wirtschaftlich nicht mehr zu sanieren sei.
Die Abbruchreife wird in Wien per Privatgutachten festgestellt. Die Prüfung der Gutachten erfolgt durch die Magistratsabteilung 25. Genehmigt werden Abbrüche von der Baupolizei (MA 37). Beide gehören zum von der SPÖ geleiteten Wohnbauressort. Der nicht genau an den Altbau angepasste Bebauungsplan mitsamt fehlender Schutzzone wurde erst 2018 unter der rot-grünen Regierung beschlossen.
Das Gebäude in der Pohlgasse 36 steht im Eigentum der A35P36 Errichtungs GmbH. Geschäftsführer sind ein Architekt und ein Ziviltechniker, die beide ihre Büros in Wien haben.
Historismus-Fassade
Die Fassade des Gebäudes lässt auf eine Errichtung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließen. Der typische Dekor des Historismus ist noch vollständig vorhanden, sogar im Erdgeschoß. Das hat wohl dazu beigetragen, dass die Architekturbehörde (MA 19) das Gebäude sicherlich als erhaltenswert eingestuft hat. Da aber um „Abbruchreife“ angesucht wurde, konnte die MA 19 umgangen werden. Kein Einzelfall. Die Ende Juni 2018 beschlossene Verschärfung, der zufolge vor 1945 erbaute Häuser nur noch mit Zustimmung der MA 19 abgerissen werden dürfen, erweist sich als stark lückenhaft. Es wird weiterhin abgerissen.
Neubau über zwei Parzellen?
Das Grundstück an der Ecke Aichholzgasse/Pohlgasse ist zumindest seit den 1930ern unbebaut. Es handelt sich aber – trotz Baumbestandes – um einen Baugrund. Das hat den Abriss des Altbaus und einen Neubau sicherlich noch interessanter gemacht, da mehr Fläche auf einmal errichtet werden kann. Der Namen der Eigentümerfirma – A35P36 Errichtungs GmbH – lässt darauf schließen, dass beide Grundstücke zugleich neu bebaut werden.
Winkt Wohnbauressort Abrisse durch?
Im April 2023 startete das Wohnbauressort medienwirksam die „Offensive Altbautenschutz“. Stadträtin Kathrin Gaál (SPÖ):
Die über 30.000 Altbauten der Stadt prägen seit Generationen das einzigartige Erscheinungsbild der Donaumetropole Wien. Sie spiegeln aber nicht nur die reiche Geschichte der Stadt wider. Denn der Schutz von Altbau ist gleichzeitig der Schutz von dringend notwendigem leistbaren Wohnraum.
Im Mai 2023 wurde angekündigt, dass die Initiative noch ausgeweitet wird. Wiederum Stadträtin Gaál:
Das bestehende Regulativ, die nun erfolgte Forcierung der Kontrolle und die geplante Einführung eines regelmäßigen Checks der Instandsetzungsmaßnahmen garantieren den langfristigen Fortbestand der Wiener Gründerzeithäuser
Was dabei aber nicht gesagt wird: Das Wohnbauressort erlaubt offenbar leichtfertig Abrisse wegen angeblicher Abbruchreife. Auch historisch bedeutende oder für das Stadtbild relevante Gebäude sind betroffen. Im Gemeinderat hat Georg Prack (Grüne) Details über die Abbruchreife erfragt. Die Antwort von Stadträtin Gaál lässt aufhorchen: Viele Abrissansuchen von nachweislich erhaltenswerten Häusern wurden von der Baubehörde genehmigt. Immer ist es angebliche Abbruchreife aus wirtschaftlichen Gründen, die hinter Abrissgenehmigungen steht. Einmal mehr wird deutlich, wie völlig unzureichend die gesetzlichen Schutzmaßnahmen sind (z. B. Erhaltungspflicht), wie leicht Abbrüche möglich sind (Abbruchreife per Privatgutachten erlaubt) und wie eklatant es an Sanierungsförderungen mangelt (um die Differenz auf die Sanierbarkeit zuzuschießen).
Zu einigen in der Liste aufgeführten Häusern gibt es Berichte auf WienSchauen: Hohenbergstraße 18 (12. Bezirk), Rohrbacherstraße 29 (13. Bezirk), Linzer Straße 83 (14. Bezirk), Sperrgasse 13 und Rosinagasse 10-14 (15. Bezirk), Pötzleinsdorfer Straße 90, Gentzgasse 4 und Alsegger Straße 35 (18. Bezirk).
Abriss 2024
Das folgende Foto wurde im Februar 2024 aufgenommen. Der Abriss ist also besiegelt. Die Ende 2023 beschlossene Bauordnungsnovelle, die Abrisse aufgrund angeblicher Abbruchreife erschwert, kommt für das Haus in der Pohlgasse zu spät.
Anfang April erreichte WienSchauen folgendes Foto:
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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.
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(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im Mai 2021.)
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(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen
- Gaál/Cech/Hillerer: Offensive Altbautenschutz wird ausgeweitet (Presseaussendung, 9.5.2023)
- Gaál/Cech/Hillerer: „Offensive Altbautenschutz“ startet (Presseaussendung, 16.4.2023)
- Zahlen zur wirtschaftlichen und technischen Abbruchreife (Anfrage von Georg Prack (Grüne), 33. Sitzung des Gemeinderates vom 25.1.2023)
- Zahlen zur wirtschaftlichen und technischen Abbruchreife (Antwort von Kathrin Gaál (SPÖ), 36. Sitzung des Gemeinderates vom 23.3.2023)
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