Villa in Pötzleinsdorf: Abriss per Privatgutachten?

Die Villa in der Pötzleinsdorfer Straße 90 stand in einer Schutzzone. Trotzdem wurde sie abgerissen. Die Entscheidungsgrundlage bildete ein vom Eigentümer beauftragtes Gutachten, das heftig kritisiert wurde. Die Prüfung des Gutachtens durch die Behörden soll mangelhaft gewesen sein.

Update: Das Haus wurde im März 2023 abgerissen. Der Artikel wurde mehrmals aktualisiert (zuletzt im November 2023).

alte Villa hinter Bäumen in Wien
Die um 1870 erbaute Villa in der Pötzleinsdorfer Straße 90 wurde abgerissen. (Foto: 2022)

Schutzzone: Zahnlos und sinnlos?

Schutzzonen sollen Abrisse und grobe Umbauten von historisch und stadtbildlich erhaltenswerten Häusern verhindern. In der Praxis funktioniert das aber häufig nicht, denn Eigentümer können Häuser wegen „Abbruchreife“ trotzdem niederreißen lassen. Die „Abbruchreife“ wird durch privat beauftragte und privat bezahlten Gutachten ermittelt. Ergeben die Gutachten, dass eine Sanierung zu teuer kommt, wird ein Abriss erlaubt. Geprüft werden Gutachten von der Magistratsabteilung 25, die zum Wohnbauressort gehört. Politisch zuständig ist Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ).

Das Problem: Privatgutachter werden wohl kam ein Ergebnis liefern, das nicht im Sinne des Auftraggebers – der ja einen Abriss will – liegt. Zudem ist die Prüfung der Gutachten offenbar sehr mangelhaft. Unabhängige Stellen haben keine Einsicht in die Unterlagen. Gegengutachten werden, soweit bekannt, nicht beauftragt.

Bei Abbruchverfahren kann auch der Altstadterhaltungsfonds einspringen, um Fehlbeträge auf die Sanierbarkeit zuzuschießen. Doch der Fonds ist viel zu niedrig dotiert. Außerdem ist intransparent, wer genau über die Förderungen entscheidet und nach welchen Kriterien. Auch Politiker sitzen im Beirat des Fonds.

Kurz gesagt: Würden die Gutachten entsprechend gründlich geprüft und wäre der Altstadterhaltungsfonds mit mehr Mitteln ausgestattet, ließen sich Abrisse viel effektiver verhindern.

Villa: Behörde winkt Abriss durch

Auch die um 1870 erbaute Villa in der Pötzleinsdorfer Straße 90 wurde ein Opfer der Abbruchreife. Heftige Kritik daran kam von Bezirksvorsteher-Stellvertreter Robert Zöchling (Grüne), der selbst ein Ingenieurbüro betreibt. Meinbezirk.at berichtete im Oktober 2022:

Zöchling hat Akteneinsicht und mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in der Architekturbranche. „Nicht alle berechneten Maßnahmen sind für den Erhalt wirklich notwendig und vorgeschrieben“, so der Bezirksvize: „Ähnliche Projekte kämen höchstens auf 2.000 Euro Kosten pro Quadratmeter.“ Und dann würde die Rechnung mit der „wirtschaftlichen Abbruchreife“ nicht aufgehen.

Er nennt ein Beispiel: Das Fundament sei laut den Ziviltechnikern nicht sicher. In Wien gebe es hunderte Zinshäuser mit gleichem Fundament – ohne Beanstandung. Zöchling mutmaßt: „Man möchte hier ein Investorenobjekt hinstellen – und das Haus ist im Weg, daher hat man es in einem möglichst schlechten Licht dastehen lassen.“

Ein ähnliches Schicksal traf in Währing bereits die „Villa Hanni“ in der Dr.-Heinrich-Maier-Straße 35. Auch das Haus in der Gentzgasse 4 durfte wegen angeblicher Abbruchreife demoliert werden.

Villa in der Pötzleinsdorfer Straße in Währing, historisches Gebäude, Bäume, Sträuchern, Mauer, Zaun
Pötzleinsdorfer Straße 90 (Foto: 2022)

Im Jänner 2023 sagte Zöchling gegenüber WienSchauen:

Es wurden für die Zuerkennung der wirtschaftlichen Abbruchreife die teilweise nicht nachvollziehbaren beziehungsweise fehlerhaften Pläne und Privatgutachten des Abbruchwerbers ohne erkennbare Prüfung durch die Baupolizei und die MA25 übernommen. Die mehrseitige negative Stellungnahme des Bezirks mit den aufgeführten Mängeln wurde nicht einmal kommentiert.

Villa in Pötzleinsdorf in Wien-Währing, historisches Gebäude hinter Bäumen und Sträuchern
Pötzleinsdorfer Straße 90 (Foto: 2022)

Abriss im März 2023

Zwei Monate nach dem Erscheinen dieses Artikels wurde das Gebäude abgerissen.

Ende 2024 war das Grundstück komplett leer:

Mauer, Bäume, Sträucher, Währing
Foto: November 2024

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