Wo früher Autos fuhren, ist jetzt eine große Fußgängerzone: Der Rathausplatz der spanischen Stadt Valencia wurde 2020 großteils verkehrsberuhigt. Eine bauliche Umgestaltung mit Begrünung folgt.
Dieser Artikel zeigt, wie sich die Plaça de l’Ajuntament in den letzten Jahren verändert hat.
Ein Rathausplatz wird zum Platz
Die Plaça de l’Ajuntament (spanisch: Plaza del Ayuntamiento) ist ein großer Platz im Zentrum von Valencia. Die am Mittelmeer gelegene Küstenstadt hat über 790.000 Einwohner und erlebt seit Jahren einen kulturellen Aufschwung samt umfangreicher Neubauaktivität. Die Veränderung der Plaça de l’Ajuntament wird vorangetrieben durch Bürgermeister Joan Ribó, der einer links-regionalistischen Koalition vorsteht. Zuvor wurde bereits der Platz vor der Kathedrale umgestaltet.
Die Plaça de l’Ajuntament, wo auch das Rathaus steht, wurde 2020 verkehrsberuhigt. Fußgängern stehen nun 82% der Gesamtfläche zur Verfügung. Zuvor waren es 43%. Die bauliche Umgestaltung samt Pflanzung neuer Bäume steht noch bevor.
Eine Hälfte des Platzes wurde für den Kfz-Verkehr gesperrt. Auf der anderen Hälfte wurde die Fahrbahn verschmälert:
Am keilförmigen Nordende des Platzes wurden alle Kfz-Spuren bis auf eine Fahrspur und einige Parkplätze für Taxis entfernt:
Die Durchfahrtsstraße in der Mitte des Platzes ist weggenommen worden:
Auf dem Foto unten ist das Rathaus zu sehen, vor dem früher der Autoverkehr auf mehreren Spuren vorbeibrauste:
Die Straße, die am Rathaus vorbei in Richtung Bahnhof läuft, wurde zur Fußgängerzone:
In der Mitte des Platzes befand sich eine Straße, die die Grün- und Fußgängerflächen in zwei Hälften zerteilte. Diese Straße wurde für den Kfz-Verkehr gesperrt, der Asphalt entfernt und durch eine helle Natursteinpflasterung ersetzt. Die auf dem Foto (unten) sichtbare Konstruktion ist ein Ágora genannter Veranstaltungspavillon, der indes auf einen anderen Platz übersiedelt ist.
Auf dem Foto unten ist das Rathaus zu sehen, das einen neuen Vorplatz erhalten hat:
An der östlichen Seite des Platzes ist die Durchfahrt für Kfz weiterhin möglich. Die Spuren wurden deutlich reduziert:
Die Mitte des Platzes wurde verkehrsberuhigt, die Straße vor der östlichen Häuserzeile verengt:
Vor dem von 1915-1923 erbauten monumentalen Postgebäude wurden die Fahrbahn verschmälert und die Parkplätze entfernt:
Der Fotovergleich unten zeigt eine typische Entwicklung, wie sie in vielen europäischen Städten zu finden ist: Im frühen 20. Jahrhundert waren Straßenbahnen das primäre Fortbewegungsmittel in der Stadt, abgesehen vom Zufußgehen. Sie wurden dann allmählich zurückgedrängt oder zur Gänze eingestellt, der motorisierte Individualverkehr erhielt mehr und mehr Raum. Erst in den letzten Jahren ist eine sanfte Wende zu beobachten. Plätze werden neu gestaltet, Fußgänger- und Radverkehr priorisiert. In gewisser Weise wird damit ein früherer Zustand mit modernen Mitteln wiederhergestellt.
Vor 2020: Alles für das Auto
Platzränder und ein Teil der Platzmitte waren bis etwa Ende 2019 dem motorisierten Individualverkehr vorbehalten. Nur zu besonderen Ereignissen, etwa dem valencianischen Frühlingsfest Fallas, war der gesamte Platz kurzzeitig zur Fußgängerzone geworden.
Die vielen Fahrspuren zwischen Rändern (Häuser, Gehsteige) und Platzmitte (Grünflächen) haben den Platz zerteilt und eine lebendige und vielfältige Nutzung erschwert:
Die Teilung des Platzes durch den motorisierten Individualverkehr ist auf dem Foto unten gut zu sehen. Der Platz ist nicht auf den ersten Blick als zusammengehörende Fläche erkennbar, sondern erscheint durch Barrieren – i.e. Fahrbahnen – zersplittert:
Das Foto unten zeigt den Blick vom Balkon des Rathauses. Die vier Fahrspuren links und die Parkspur gibt es heute nicht mehr.
Die beiden Grünflächen auf dem Platz waren bis 2020 durch mehrere Fahrspuren voneinander getrennt. Die Flächen nahe dem Springbrunnen waren de facto nicht nutzbar, da sich rundherum Parkplätze befanden:
2020: Verkehrswende
Die Pläne für die Verkehrsberuhigung wurden 2019 vorgestellt und 2020 umgesetzt.
Die Grafik unten zeigt den Straßenverlauf nach der Verkehrsberuhigung. Die verbliebenen Straßen sind weiß eingezeichnet. Die gelben Flächen in der Mitte sind die 2020 verkehrsberuhigten Bereiche.
An einer Seite des Platzes wurden alle Straßen entfernt:
Die Mitte des Platzes wurde für den Autoverkehr gesperrt. Statt Asphalt wurde eine Steinpflasterung verlegt:
Der Autoverkehr wurde vom Platz vor dem Rathaus entfernt. Das Gebäude, das in seiner heutige Gestalt auf einen Umbau von 1930 zurückgeht, kann nun seine volle architektonische Wirkung entfalten.
An der nördlichen Ecke des Platzes wurden Fahrbahn und Parkplätze bis auf eine einzelne Spur gestrichen:
Freier Platz für alle Bürger
Mit der Verkehrsberuhigung wurde der Platz im Sinne eines „Anfügens an den Rand“ besser nutzbar: Der durchfahrende Autoverkehr wurde auf eine Seite des Platzes beschränkt. Der übrige Platz ist autofrei und auch für den Radverkehr nutzbar.
Die Fläche auf dem Foto unten war vor 2020 eine breite Fahrbahn. Rechts ist nun der Fußgängern und Radfahrern vorbehaltene Bereich.
Durch die Entfernung des durchfahrenden Autoverkehrs sind riesige Flächen in zentraler Lage frei geworden. So wird erst bewusst, wie viel Raum dem motorisierten Individualverkehr gegeben wird und dass er diesen Raum eigentlich gar nicht braucht. Oftmals ist ein Rückbau einfacher als gedacht. Doch dieser Schritt erfordert politischen Mut, dessen positive Auswirkungen dafür aber dann über Jahrzehnte spürbar sind (Beispiel: Stephansplatz in Wien).
Umbau folgt noch
Die Umgestaltung des Platzes erfolgt in zwei Etappen: 2020 wurde der Verkehr neu geregelt, wobei umfangreiche Flächen für den Fußgänger- und Radverkehr optimiert worden sind. In einem zweiten Schritt kommt die bauliche Umgestaltung. Im Oktober 2022 wurde das Siegerprojekt des Gestaltungswettbewerbs vorgestellt, Gewinner ist das Büro VAM10 des Architekten Miguel del Rey. Die neuen Bäume sind so gewählt, dass im Sommer viel Beschattung herrscht, im Winter dafür aber bessere Sicht auf die Gebäude möglich ist:
Die Bauarbeiten sollen etwa ein Jahr dauern. Ob die 2022 vorgestellten Pläne exakt umgesetzt werden, ließ sich nicht ermitteln. Dieser Artikel wird aktualisiert, wenn der Platz fertiggestellt ist.
Früher Verkehr
Der Platz entstand in seiner heutigen dreieckigen Form im späten 19. Jahrhundert nach dem Abriss eines großen Klosters. Die Aufteilung sah im frühen 20. Jahrhundert folgendermaßen aus: Verkehrsflächen für Straßenbahnen, Pferdewägen und die noch wenigen Automobile an den Rändern; Begrünung und Flächen für Fußgänger in der Mitte, darunter auch Marktstände. Der ganze Platz war für Fußgänger begehbar, da der motorisierte Individualverkehr in seiner später bekannten Masse noch nicht existierte. Einst gab es auf dem Platz einen unterirdischen Blumenmarkt samt aufwendiger Oberflächengestaltung, was beides aber wieder abgebrochen wurde. Wie überall in Europa wurde im Laufe Zeit immer mehr Raum für den Autoverkehr bereitgestellt, in den 1970ern befand sich in der Mitte des Platzes ein großer Parkplatz.
Infos
- Un experto en patrimonio rural y una paisajista harán la plaza del Ayuntamiento (Las Provincias, 3.11.2022)
- La nova plaça de l’Ajuntament de València: del fum dels cotxes a la renaturalització (València Extra, 20.10.2022)
- ‚Re-Natura‘, proyecto ganador para remodelar la plaza del Ayuntamiento de València (elDiaro.es, 19.10.2022)
- VAM10 arquitectura y paisaje (Gewinner des Planungswettbewerbs)
- Historia de la plaza del Ayuntamiento
Fotos
- 2023 (1), (2): Anselm Pallàs, CC BY-NC-ND 2.0
- 2023 (1), (2): William Helsen, CC BY-NC 2.0
- 2023: Francesc Fort, Joan Ribó en Bici, CC BY-SA 4.0
- 2022: Heather Cowper, CC BY-NC 2.0
- 2022: RdA Suisse, CC BY 2.0
- 2022 (1), (2), (3), (4), (5), (6): Ajuntament de València, CC BY-ND 2.0
- 2021: Antonio Marín Segovia, CC BY-NC-ND 2.0
- 2020 (1), (2), (3): Ajuntament de València, CC BY-ND 2.0
- 2020: Ponscor, Falles 2020 al mes de març. Falles ajornades 3, CC BY-SA 4.0
- 2020 (1), (2), (3): Antonio Marín Segovia, CC BY-NC-ND 2.0
- 2019 (1): Ajuntament de València, CC BY-ND 2.0
- 2019: Antoon Kuper, CC BY-NC-ND 2.0
- 2018: Hans Porochelt, CC BY-NC-ND 2.0
- 2017: Jean-Christophe Bruneau, CC BY 2.0
- 2017: Jeffrey Beall, Plaça de l’Ajuntament (València), CC BY 4.0
- 2016: Eric Titcombe, CC BY 2.0
- 2016: Francesc Fort, Plaça de l’Ajuntament des del Rialto (2), Plaça de l’Ajuntament des del Rialto (1), CC BY-SA 4.0
- 2015: kosta korçari, CC BY-SA 2.0
- 2015: ccyy4424, CC BY-NC-ND 2.0
- 2015: Coentor, CC BY-SA 4.0
- 2014 (1), (2): Alan Burnett, CC BY-SA 2.0
- 2013: Marcela Escandell, CC BY-SA 2.0
- 2013: Jerónimo Roure Pérez, Plaça de l’Ajuntament de València 4, Plaça de l’Ajuntament de València 5, CC BY-SA 4.0
- 2011: Joanbanjo, Plaça de l’Ajuntament de València, País Valencià, CC BY-SA 3.0
- 2010: Yasuhiro Chatani, CC BY 2.0
- 2007: Richie Diesterheft, CC BY 2.0
- 2007: ho visto nina volare, CC BY-SA 2.0
- 2007: freshwater2006, CC BY-NC 2.0
- Alle nicht gekennzeichneten Fotos sind (c) Georg Scherer
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