Ein großer Teil der Neubaugasse ist seit 2021 eine Begegnungszone. Seitdem gibt es mehr Bäume und Grünflächen, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, eine attraktive Pflasterung (statt Asphalt) und viele neue Sitzgelegenheiten.
Die Umgestaltung der beliebten Einkaufsmeile bei der Mariahilfer Straße ist ein Musterbeispiel dafür, wie schön der öffentliche Raum sein kann – wenn die Politiker wollen.
Neubaugasse wurde zur Begegnungszone
Neubau teilt die Vor- und Nachteile aller zentral gelegenen Wiener Bezirke: Ausgezeichnete öffentliche Verkehrsmittel, ein reiches Angebot an Geschäften und Lokalen und viele kleine Unternehmen. Aber auch Probleme mit Hitze im Sommer, wenige Bäume und Grünflächen und eine höchst problematische Verteilung des öffentlichen Raums (also übermäßig viel Platz für Fahrbahnen und Parkplätze). Die Umgestaltung von Straßen und Plätzen ist ein effektives Mittel, um diese Probleme abzumildern, die Lebensqualität für die Anrainer zu heben und die lokale Wirtschaft zu stärken.
Früher viel Platz für Kfz
Die Neubaugasse war die längste Zeit nicht viel anders aufgeteilt als die meisten Straßen in Wien. Die Gestaltung orientierte sich vor allem an den Bedürfnissen des motorisierten Individualverkehrs – mit drei Spuren für Kfz: eine Fahrspur und zwei Parkspuren (abgesehen vom kurzen Stück bei der Mariahilfer Straße). Fußgängern – und damit wohl der großen Mehrheit – blieben nur die abschnittsweise schmalen Gehsteige; Radfahrer mussten zwischen fahrenden und parkenden Pkw fahren. Für eine Geschäftsmeile kein guter Ausgangspunkt, denn nur eine Minderheit der Kunden in Einkaufsstraßen kommt mit dem Auto, wie Studien zeigen.
Neubau als Vorreiterbezirk
Die Neubaugasse ist die logische Fortsetzung der Mariahilfer Straße, die ihrerseits von 2013-2015 zur Fußgänger- und Begegnungszone umgebaut wurde. Von den vielen Leuten, die in der Mariahilfer Straße unterwegs sind, profitieren auch die Geschäfte und Lokale in der Neubaugasse. Seit dem Umbau der Neubaugasse wohl noch deutlich mehr. War die Mariahilfer Straße das Herzensprojekt von Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne), ist die Neubaugasse die erste große Umgestaltung unter Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne).
Beim öffentlichen Raum ist Neubau generell ambitioniert wie sonst kaum ein Bezirk: Fußgänger-, Rad- und öffentlicher Verkehr stehen im Mittelpunkt. Anders als in Wien über Jahrzehnte üblich wird der Autoverkehr bei Umgestaltungen nicht mehr bevorzugt. Das zeigt sich auch im kleineren Rahmen, etwa am Ruth-Klüger-Platz in der Burggasse.
Als erster aller Wiener Bezirke ließ Neubau auch eine detaillierte Studie über sämtliche Grünflächen im öffentlichen Raum erstellen und wo künftig neue Bäume gepflanzt werden können („Masterplan Begrünung für den Straßenraum“). Eine solche fachlich abgesicherte Bestandsaufnahme und langfristige Planung wäre für alle Wiener Bezirke wichtig, soll die Lebensqualität in der Stadt langfristig hoch bleiben.
Verkehrsberuhigung hat viele Vorteile
Verkehrsberuhigung – dazu gehört auch die Begegnungszone in der Neubaugasse – hat viele Vorteile (alle Details hier):
- Werden die für den Kfz-Verkehr reservierten Flächen reduziert, kann der öffentliche Raum besser von den Bewohnern der umliegenden Häuser genutzt werden. So haben auch Menschen mit kleinen Wohnungen und wenig Einkommen mehr von der Stadt.
- Mehr Platz für andere Nutzungen: breitere Gehsteige, Bänke, Radwege, Begrünung usw.
- Weniger Verkehrslärm und höhere Verkehrssicherheit
- Umgestaltungen sind beliebt; umgestaltete und begrünte Straßen und Plätze sind schöner.
- Weniger Platz für Pkw bedeutet meist auch weniger Asphalt und mehr Platz für Bäume und Begrünung.
- Radfahren wird attraktiver. Und Radfahren ist kostengünstig, platzsparend und positiv für die lokale Wirtschaft.
- Der Umsatz von Geschäften steigt, der Leerstand ist geringer, die Kundenfrequenz höher. Letzteres erwähnte auch der Obmann der Kaufleute in der Neubaugasse gegenüber der Bezirkszeitung (2021):
Im fertigen Teil der Begegnungszone ist die Kundenfrequenz schon jetzt massiv erhöht.
Entsprechend groß war auch die Freude in der Bezirkspolitik. Vertreter von Grünen, SPÖ, NEOS und ÖVP begrüßten die Veränderung. Nur die FPÖ kritisierte den Wegfall der Parkplätze und die Verlangsamung der Buslinie 13A.
Begegnungszone mit Grün
Auf einer Länge von 800 Metern zwischen Mariahilfer Straße und Burggasse wurde der öffentliche Raum grundlegend umgestaltet, mit 29 neuen Bäumen und etlichen Grünflächen mit Rankpflanzen. Abkühlung sollen auch die Sprühanlagen bringen, die bei Hitze Wasserdampf abgeben. Ob es sich bei diesen Anlagen um eine nachhaltige Investition handelt und wie lange die Geräte wirklich halten, wird sich erst zeigen müssen.
Aber nicht überall konnten Bäume gepflanzt werden. Der Grund sind unterirdische Einbauten (Rohe, Kabel usw.). Diese Einbauten sind ein regelmäßig auftauchendes Problem bei der Begrünung von Straßen. In einigen Fällen lässt sich das aber umgehen: In Fußgängerzonen können Bäume überall stehen, nicht nur am Straßenrand. Damit sind trotz Einbauten mehr Bäume möglich.
Ein Abschnitt fehlt aber noch: Zwischen Burggasse und Lerchenfelder Straße wurde die Neubaugasse nicht umgebaut. Der Weiterbau ist fertig geplant und wartet noch auf die Freigabe durch Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ).
Es wird eng
Auf der Neubaugasse ist auch nach dem Umbau viel los: Fußgänger, Radfahrer, Autos und die Busse der Linie 13A müssen sich eine verhältnismäßig schmale Straße teilen. Durch die Breite der in beide Richtungen verkehrenden Busse ergeben sich regelmäßig Platzprobleme. Zusammen mit den neuen Bäumen und Grünflächen wird bewusst, wie begrenzt der Platz eigentlich ist. Kurz gesagt: Jedes einzelne Fahrzeug stört nun mitunter.
So fällt auch auf, wie viel Raum Autos eigentlich einnehmen:
- Der typischen Pkw ist etwa 8 m² groß. Meist sitzt darin eine einzelne Person.
- Ein Pkw-Parkplatz nimmt rund 10 m² ein. Das ist Platz genug für das Abstellen von 10 Fahrrädern.
- Bei 30 km/h beträgt der Platzbedarf eines Pkw über 60 m².
- Fußgänger brauchen kaum mehr als 1 m² Platz, Radfahrer (fahrend) etwa 7,7 m².
- Gering ist im Verhältnis auch der Platzbedarf von Bussen, da viele Menschen auf engem Raum darin Platz haben.
Seitengassen auch umgestaltet
Auch Teile der einmündenden Seitengassen wurden umgestaltet. Dabei entstanden auch angenehme Sitzgelegenheiten und ruhige Plätze. Nachdem in der Neubaugasse trotz Umbau mitunter erheblicher Verkehr herrscht, haben die Seitengassen eine besondere Bedeutung.
Die alte Neubaugasse
Die Häuser in der Neubaugasse stammen vor allem aus zwei Bauperioden: Die kleineren aus der Zeit um etwa 1800, die höheren um 1900. In den letzten 100 Jahren hat sich an der Bebauung erstaunlich wenig geändert – durchaus zum Vorteil der Straße, denn die meisten Gebäude sind architektonisch extrem hochwertig.
Grundlegend geändert hat sich aber der Verkehr: Bis zu Ende des 19. Jahrhundert beherrschten Fuhrwerke den Straßenraum. Dann kam die elektrische Straßenbahn, die hierorts noch bis in die 1960er verkehrte. Wie überall in Wien übernahm das Automobil spätestens nach 1950 den öffentlichen Raum: Wien wurde zur Verkehrsstadt umgebaut, Straßen und Plätze an die Bedürfnisse des Pkw angepasst.
Mit dem Umbau zur Begegnungszone wurde in gewisser Weise der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt: eine gemeinsam genutzte Straßenfläche für alle, ohne die sonst übliche Bevorzugung des Pkw.
Verkehrsberuhigung: Warum nicht auch anderswo?
Die neue Neubaugasse ist so hochwertig geworden, dass die Fragen auftauchen: Warum gibt es das nicht auch woanders? Warum immer im 7. Bezirk?
Die Antworten: Auch in anderen Bezirken könnte es solche Umgestaltungen geben. Aber in den allermeisten Fällen haben die Bezirksvorstehungen (die von der jeweils stimmenstärksten Partei gestellt werden) einfach kein Interesse an Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und umfangreicher Begrünung. Parkplätze werden auch in Einkaufsstraßen als wichtiger erachtet, obgleich das im Widerspruch zu Studien und Erfahrungen steht.
Die politischen Zuständigkeiten:
- In Wien sind maßgeblich die Bezirke für den öffentlichen Raum verantwortlich. Für größere Umbauten braucht es eine Mehrheit im Bezirksparlament (Bezirksvertretung).
- Das Rathaus (also die jeweiligen Stadträte) stellt bei Umbauten die meisten Geldmittel zur Verfügung, da die Bezirke das nötige Budget nicht haben.
Es braucht also beide: Die Bezirkspolitik muss eine Veränderung wollen. Und die Regierung im Rathaus muss die finanziellen Mittel bereitstellen. Lässt eine von beiden Seiten aus, passiert nichts.
Neubaugasse: vorher vs. nachher
Die folgende Fotostrecke zeigt, wie sich die Neubaugasse verändert hat. Die Vorher-Fotos sind im Jänner 2020 entstanden (und z. T. stark aufgehellt), die Nachher-Fotos im Sommer 2021. Die Fotos von 2021 wurden vor allem an Samstagen gemacht, wo weniger Autoverkehr herrscht als unter der Woche.
Von der Mariahilfer Straße zur Westbahnstraße
Von der Siebensterngasse zur Burggasse
Kontakte zu Stadt & Politik
www.wien.gv.at
post@bv07.wien.gv.at
+43 1 4000 07114
Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.
- SPÖ: kontakt@spw.at, Tel. +43 1 535 35 35
- ÖVP: info@wien.oevp.at, Tel. +43 1 51543 200
- Die Grünen: landesbuero.wien@gruene.at, Tel. +43 1 52125
- NEOS: wien@neos.eu, Tel. +43 1 522 5000 31
- FPÖ: ombudsstelle@fpoe-wien.at, Tel. +43 1 4000 81797
(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im Jänner 2021.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen
- Begegnungszone Neubaugasse ist offiziell eröffnet (Bezirkszeitung, 3.9.2020)
- Die Neubaugasse Neu wird bis Schulbeginn fertig (Bezirkszeitung, 13.7.2020)
- Begegnungszone in der Wiener Neubaugasse wird verlängert (Kurier, 23.4.2020)
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