In der Penzinger Straße hat die Buwog eine große Wohnhausanlage errichtet. Die Architektur des Neubaus setzt sich stark von der umgebenden Bebauung ab. In die Ortsbild-Schutzzone wurden minimalistische Fronten mit Blechoptik gesetzt.
Dieser Artikel wurde im November 2024 aktualisiert.
Bezugslos in der Schutzzone
Wer in der U4-Station Hietzing aussteigt und nicht in Richtung Schloss Schönbrunn geht, findet auf der anderen Seite ein schönes Stück altes Wien. Alt-Penzing heißt der wenig bekannte Teil des 14. Bezirks, der sich um die Penzinger Straße erstreckt, zwischen Wiental und Bahngleisen. Eine großes, lang gezogenes Ensemble aus Häusern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hat sich hier erhalten. Zwischen der Penzinger Straße und parallel verlaufenden Cumberlandstraße liegt auch ein Areal, das in den letzten Jahren von Grund auf neu bebaut wurde.
Im Vorfeld hatten Bürger gegen die Neubauten protestiert und eine starke Zunahme des Kfz-Verkehrs befürchtet. 512 Miet- und Eigentumswohnungen mit vielen Balkonen und rund 400 Parkplätzen wurden errichtet. Geplant wurden die Wohngebäude vom Grazer Büro LOVE architecture and urbanism. Bauherr ist die Buwog. Auf der Webseite des Entwicklers heißt es:
Inmitten von sechs architektonisch individuell gestalteten Bauteilen eröffnet sich ein großzügiger und grüner Garten, der dem Projekt zu seinem Namen verhalf. Er bietet Jung und Alt entspannende Idylle bei gleichzeitig urbanem Treiben direkt vor der Haustüre.
Überhaupt erst möglich wurde die umfangreiche Bebauung durch eine Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans. Umwidmet wurde 2018, noch unter Rot-Grün. Im Rahmen von Umwidmungen kann die Stadt Forderungen an Eigentümer stellen. Sofern das im Fall Kennedy Garden geschehen ist, war zumindest die äußere Gestaltung des Neubaus an der Penzinger Straße offenbar kein Thema. So konnte ohne jegliche Bezugnahme neu gebaut werden. Das Wiener Baurecht kennt keine Bestimmung, die eine Orientierung der äußeren Gestaltung und der Höhenentwicklung an das Umfeld vorschreibt. Überdies gibt es in Wien keinen unabhängigen Gestaltungsbeirat, der Umwidmungen, bauliche Verdichtungen und die Einpassung von Neubauten prüft.
Die entscheidende Frage ist aber: Was bringt dieser Neubaukomplex eigentlich der Umgebung und ihren Bewohnern? Was hat der Bauträger des wirtschaftlich ohne Zweifel sehr einträglichen Projekts zur Verbesserung des Umfelds geleistet?
Zumindest ein Gebäude beherbergt leistbare Mietwohnungen, so die Buwog:
Neben Eigentums- und Mietwohnungen in unterschiedlichen Preissegmenten werden in „Orchidea“ Mietwohnungen gemäß WBI (Wiener Wohnbauinitiative) realisiert. Der vom Architekturbüro clemens kirsch architektur geplante Bauteil „Orchidea“ besticht nicht nur durch sein modernes Design, sondern vor allem durch sein Konzept, welches die soziale Nachhaltigkeit im Fokus hat. In diesem speziell für Alleinerziehende konzipierten Bauteil wird dem erhöhten Bedarf nach sozialem Austausch entsprechend eine inklusive architektonische Gestaltung mit diversen Gemeinschaftsräumen umgesetzt.
Die Bauten von Kennedy Garden sind als „Magnolia“, „Orchidea“ und „Lavendula“ blumig benannt. Obwohl von einem einzelnen Büro geplant, unterscheiden sich die einzelnen Gebäude deutlich voneinander. Sie sind in einer in Wien gängigen Formensprache gehalten. Florale Gesten finden sich aber keine. Der urbane Bezugspunkt des Wohnkomplexes ist das Zentrum von Alt-Penzing. Der Bezirksteil zeichnet sich hier durch geschlossene historische Ensembles aus, einige Gebäude stehen auch unter Denkmalschutz.
Wie in Wien üblich kann die Qualität des öffentlichen Raums mit jener der Bestandsbauten nicht mithalten: teils hohe Kfz-Verkehrsbelastung, viel Asphalt, viele Parkplätze, fehlende Straßenbäume und eine für Radfahrer gefährliche Aufteilung der Verkehrsflächen. Der Bezirk hat Verbesserungen angekündigt.
Mit weißem Metall in Well- bzw. Trapezblechoptik schirmt sich das südlichste Gebäude von der umgebenden Bebauung ab. Es wird die Wirkung eines Baucontainers erzielt, nicht unähnlich dem Blech-Hochhaus in der Seestadt Aspern.
Dass die Entscheidung auf solche Materialien gefallen ist, schwächt einen sonst sehr positiven Aspekt erheblich ab: Die Idee einer offenen Fußgänger-Passage mit beidseitigen Balkonen als Zugang zum neuen Wohnviertel ist durchaus ansprechend. Das planende Architekturbüro über diesen Gebäudeteil:
Das südliche gelegene Entreegebäude in den Park erinnert an italienischer Altstädte: bunte auskragende Jalousien und Balkone welche aufeinander zuzugehen scheinen bilden einen dichten, lebendigen und kommunikationsorientierten Straßenraum.
Die bauliche Dichte ist sehr hoch, weiter innen sind auch Freiflächen.
Die Außenansicht erinnert an manchen Stellen stilistisch ein wenig an die 1960er und 1970er, wo ohne Rücksicht auf Bebauungsstruktur, Fassadenmaterial, Gliederung, Nutzung und Höhenentwicklung Neubauten ins Stadtbild gesetzt wurden. Höhe und Bebauungsdichte könnten die umgebende Bebauung von Alt-Penzing unter wirtschaftlichen Druck setzen, bis hin zu Abrissspekulation.
Ob der Bruch mit der Umgebung intendiert war? Oder ist er einfach passiert? Ist die Frage der Einpassung bei der Planung nie aufgetaucht?
Auch in einer Seitengasse treffen Alt und Neu aufeinander:
In der Cumberlandstraße sind nur abschnittsweise Altbauten erhalten. Die Neubauten von Kennedy Garden fallen hier durch ihre besondere Höhe und Geschoßzahl auf. Die Fassaden sind teilweise auf schlichte Streifen beschränkt, vereinzelt finden sich Fliesen.
Geschäfte und Lokale gibt es in den alten und neuen Häusern in der Gegend kaum. Da viele Garagenplätze gebaut wurden, muss mit deutlich mehr Autoverkehr gerechnet werden.
Viel Veränderung auf kleiner Fläche
Zwischen Cumberlandstraße und Penzinger Straße hat sich binnen weniger Jahre viel getan. Zahlreiche Gebäude wurden abgerissen, ein Bestandsbau umgebaut und rundherum viel neu errichtet. Solche großen Flächen sind in einer solchen Lage – zur U4-Station Hietzing sind es nur wenige Minuten zu Fuß – selten. Für Bauträger ist das natürlich besonders interessant. Eine 105 m²-Wohnung im Dachgestoß kostet 1,1 Millionen Euro. Günstiger sind ein 48 m² großer Lagerraum (58.000 Euro) und ein Garagenplatz (35.000 Euro). Fast alle Wohnungen waren mit Stand August 2023 bereits verkauft.
Buwog'scher Plattenbau
Die Buwog ist schon vor einigen Jahren mit einem Bauprojekt aufgefallen, das ohne Bezug zur Umgebung errichtet wurde. Zwischen Meidlinger Hauptstraße und Schloss Schönbrunn hat der Bauträger eine Art Plattenbau gesetzt.
Es geht auch anders
Freundliche Farben, hochwertige Materialität, klare Formen, zumindest lose Bezüge zu lokalen Vergangenheit: mit der Orientierung an diesen allergröbsten Kriterien wäre schon viel erreicht. Warum gelingt das in Wien so selten? Warum muss die Stadt mit immer neuen bestürzenden Neubauten leben?
Das Einfügen von neuen Gebäuden in geschlossen erhaltene Ensembles ist schon immer eine Gratwanderung zwischen Rücksichtnahme und Bruch. Eine zeitlose Lösung ist in den 1960ern in Mailand gelungen:
Wie Alt und Neu nebeneinander stehen können, ohne dass beim Neubau Abstriche gemacht werden müssen, zeigt ein Beispiel aus Utrecht (Niederlande). Links auf dem Foto unten sind alte Reihenhäusern, das Wohnhaus rechts – gelegen an einer großen Straßenkreuzung mit etlichen neuen Häusern – wurde 2017 fertiggestellt. Es ist durch zweifarbige Klinkersteine, Fensterfaschen und einen strengen Fensterraster gekennzeichnet. Die mehr als 100 Jahre zwischen den Gebäuden sind nicht versteckt worden, als verbindendes Element fungieren die Klinkersteine und die hohen Fenster.
Auf den folgenden Aufnahmen wird die Baukultur in den Niederlanden deutlich:
Kontakte zu Stadt & Politik
- SPÖ: kontakt@spw.at, Tel. +43 1 535 35 35
- ÖVP: info@wien.oevp.at, Tel. +43 1 51543 200
- Die Grünen: landesbuero.wien@gruene.at, Tel. +43 1 52125
- NEOS: wien@neos.eu, Tel. +43 1 522 5000 31
- FPÖ: ombudsstelle@fpoe-wien.at, Tel. +43 1 4000 81797
(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen
- Weniger Verkehr und mehr Natur für Alt-Penzing (meinbezirk.at, 27.2.2023)
- Alt-Penzing kennt fast niemand in Wien und das ist ein Fehler (Freizeit/Kurier, Daniel Voglhuber, 5.2.2023)
- Proteste gegen Penzinger „Monsterbauten“ (ORF, 8.8.2021)
- Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben, sind (c) Georg Scherer
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