Zwischen Stubenring und Wienfluss verläuft eine Straße, die eigentlich ein Platz ist. Die Benennung der Fläche in Oskar-Kokoschka-Platz im Jahr 1980 hat sich bis heute nicht in einer angemessenen Nutzung und Gestaltung niedergeschlagen. Der Platz neben der Universität für angewandte Kunst ist eine bloße Durchfahrtsstraße geblieben.
Straße oder Platz?
Der Oskar-Kokoschka-Platz liegt zwischen dem Regierungsgebäude am Stubenring (ehemaliges Kriegsministerium) und der Universität für angewandte Kunst. Er ist quasi eine Verlängerung der bei Wien Mitte vorbeiführenden Marxergasse, die über eine Brücke mit der Ringstraße verbunden ist. Von einem Platz kann nur dem Namen nach gesprochen werden, denn vor dem Eingang der Universität breitet sich nicht viel mehr als eine Straße mit angrenzender Grünfläche aus.
Durchfahrt verhindert urbane Nutzung
Neben einem baulich ausgeführten Radweg (am Foto unten rechts) und einem aufgemalten Radstreifen gibt es auf dem Platz mehrere Fahr- und Parkspuren für Kfz.
Mit der autozentrierten Aufteilung der Fläche ist dem Platz auch jede Bedeutung im Sinne urbaner Nutzung genommen. Damit entgeht der Stadt ein Ort, der mehr sein könnte als eine asphaltierte Fahrbahn. Zusammen mit den angrenzenden Grünflächen und Gehsteigen kommt der Oskar-Kokoschka-Platz immerhin auf eine Größe von rund 2900 Quadratmetern. Das ist deutlich mehr als etwa der Judenplatz oder der Dr.-Ignaz-Seipel-Platz (beide im 1. Bezirk).
Der Platz geht nahtlos in die Kleine Marxerbrücke über, die den 1. und 3. Bezirk miteinander verbindet. Die Brücke mit dem Otto-Wagner-Geländer dient nicht nur dem durchfahrenden Verkehr, sondern auch als Parkplatz. Auch hier eine Situation, die mehr an die Nachkriegszeit als an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts erinnert.
Nur kurzzeitig ein echter Stadtplatz
Zum echten Platz wird der Oskar-Kokoschka-Platz einige Tage im Jahr zum Fest der Angewandten. Die Fläche zwischen Brücke und Ring wird dabei für den Autoverkehr gesperrt, eine schmale Durchfahrt für den Radverkehr bleibt erhalten.
Die Sperre für den Autoverkehr führt vor Augen:
- Die Straße kann gesperrt werden, ohne dass sich größere Probleme für den Verkehr ergeben dürften. Die Verbindung wird also offenbar nicht unbedingt benötigt.
- Die Kfz-Spuren nehmen viel Platz ein. Das wird erst so richtig deutlich, wenn die fahrenden und parkenden Fahrzeuge weg sind.
- Der Platz ist trotz beidseitiger Grünflächen stark durch Asphalt geprägt.
- Eine andere – sozialere und künstlerische – Nutzung ist möglich.
An Oskar Kokoschka (1886-1980) erinnert ein vor der Universität aufgestelltes Denkmal. Kokoschka war ein Künstler des Expressionismus. Er zählt mit Egon Schiele und Gustav Klimt zu den bekanntesten Malern der Wiener Moderne. Reverenz erweist ihm der nach ihm benannte Platz nicht.
Wie könnte eine Neugestaltung aussehen?
Einige Tage pro Jahr wird der Oskar-Kokoschka-Platz autofrei. Warum nicht das ganze Jahr über? Hier einige Ideen:
- Dauerhafte Sperre des Platzes und der Kleinen Marxerbrücke für den Kfz-Verkehr
- Einrichtung eines Zwei-Richtungs-Radwegs
- Freihalten einer Fläche, die Einsatzfahrzeuge für die Durchfahrt nutzen können
- Entfernung von Asphalt, stattdessen Pflasterung mit hellen Natursteinen
- Begrünung der Platzmitte durch eine Baumreihe mit begehbaren Baumscheiben (keine großen Baumscheiben mit offenen Beeten, um nicht Platz für Fußgänger usw. zu verlieren)
- Aufstellen von Sitzbänken (typische Wiener Parkbänke, keine Design-Experimente oder übergroße Beton-/Steinblöcke)
- Beibehaltung der hohen Straßenlaternen und aller Grünflächen
- Künstlerische Bespielung durch die Universität für angewandte Kunst
- Umgestaltung der Kleinen Marxerbrücke zum Aufenthaltsbereich, Reservierung einer Fläche für Kunst im öffentlichen Raum
Einige Änderungen in der Verkehrsorganisation im Umfeld sind dafür nötig:
- Wendehammer (Umkehrmöglichkeit) bei der Schallautzerstraße (Straße hinter dem Regierungsgebäude)
- Umstellung auf Gegenverkehr in der Schallautzerstraße
- Umdrehen der Einbahn oder Umstellung auf Gegenverkehr in der Reischachstraße
Vor der Massenmotorisierung
Ein klassicher Stadtplatz war der Platz zwischen Ring und Wienfluss auch früher nicht. Die ehedem Kopalplatz genannte Fläche war offenbar immer schon eine reine Verkehrsfläche, auf der auch die Straßenbahn verkehrte. Noch auf einer Aufnahme aus den 1940ern (siehe unten) wird eine großstädtische Eleganz deutlich, die heute durch den allgegenwärtigen fahrenden und ruhenden Kfz-Verkehr nur noch eingeschränkt gegeben ist.
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