Die Wiener U-Bahn wächst. Mit der Verlängerung der U2 in Richtung Favoriten wird auch die U4-Station Pilgramgasse umgebaut. Dafür musste das 160 Jahre alte Wohnhaus Hofmühlgasse 6 zur Gänze weichen – trotz erhaltener historischer Fassade.
U-Bahn kommt, Haus muss weg
Die Hofmühlgasse ist eine geschäftige Straße mitten im 6. Bezirk. Im Minutentakt sausen die vollen Busse von Wiens chronisch überlasteter Linie 13A vorbei. Laut brummen die Motoren der PKW auf, wenn es steil hinauf Richtung Gumpendorfer Straße geht. Die Verlängerung der U2, die künftig von der Seestadt über das Rathaus bis zum Wienerberg fahren wird, soll auch die übervollen Busse – über 40.000 Personen nutzen täglich den 13A – entlasten, die sich durch die engen Gassen des 6. und 7. Bezirks schlängeln.
Zumindest für die nächsten Jahre wird es in der Hofmühlgasse aber noch lauter: Für den Ausbau der U-Bahn-Station wurde das 1859 erbaute Wohnhaus Hofmühlgasse 6 abgerissen – laut Wiener Linien unvermeidlich: Das Grundstück werde für die kommenden Bauarbeiten gebraucht; auch soll hier ein neuer U-Bahn-Aufgang entstehen.
Dem abgerissenen Frühgründerzeithaus war sein Alter zuletzt schon anzusehen, wie die Fotos unten zeigen. Obwohl Teile der Fassade schon sichtlich verzogen waren, war das Haus keineswegs abbruchreif. Die Eigentümerin wurde im Vorhinein entschädigt, für die Mieter fanden sich Ersatzwohnungen. So konnte der Abbruch Anfang Dezember beginnen.
Abriss wirklich unvermeidlich?
Ob der Abriss wirklich alternativlos war, lässt sich nicht eindeutig feststellen, denn öffentlich einsehbare Gutachten finden sich keine. Auch ist unklar, warum nicht zumindest die historische Fassade bestehen bleiben konnte. Zudem hat die Rathauskoalition erst 2018 das Gesetz zum Schutz historischer Gebäude verschärft.
Für das alte Haus in der Hofmühlgasse galt jedenfalls kein Schutz. Seit Ende 2019 ist nichts mehr von dem Gebäude übrig.
Entkernung als Notlösung
Der Mittelweg zwischen Totalabriss und vollständiger Erhaltung ist die Entkernung: Dabei bleibt die straßenseitige Fassade stehen, während das Innenleben des Gebäudes abgebrochen und neu gebaut wird. Auch in Wien wird diese nicht unumstrittene Methode immer wieder angewandt, beispielsweise bei einer denkmalgeschützten Fabrik im 14. Bezirk, die 2014 bis auf die Außenmauern abgetragen wurde (Fotos unten). Hätte sich das nicht auch in der Hofmühlgasse realisieren lassen?
"Abrissbezirk" Mariahilf
Durch seine zentrale Lage ist der 6. Bezirk seit vielen Jahren bei Wohnungssuchenden und Immo-Firmen beliebt. Während in den letzten Jahren und Jahrzehnten einerseits unzählige Häuser saniert und aufgestockt wurden, sind andererseits auch etliche Gebäude abgerissen worden, beispielsweise in der alten Marchettigasse. Getroffen hat es besonders Bauten aus dem frühen 19. Jahrhundert – die ohnehin eine Rarität darstellen. Auf der folgenden Fotostrecke sind einige Mariahilfer Häuser zu sehen, die es heute schon nicht mehr gibt.
Nicht das erste U-Bahn-Opfer
Das abgerissene Haus in der Hofmühlgasse ist nicht das erste Gebäude, das dem U-Bahn-Bau weichen musste. Erst 2008 wurde ein historisch bedeutendes Gebäude im 2. Bezirk für die nahe U2-Station Schottenring abgebrochen, wie die Initiative Denkmalschutz berichtete. Bis heute ist der Bauplatz leer, künftig soll hier ein Hotel mit vergleichsweise schlichter Fassadengestaltung stehen. Eine Rekonstruktion des abgerissenen Historismus-Baus (Foto unten) ist offenbar nie zur Debatte gestanden.
Bestürzende Neubauten
Auch wenn Gebäude mitunter jahrhundertelang nutzbar bleiben, wie die alten europäischen Stadtzentren eindrucksvoll bezeugen, lässt sich nicht immer jedes historische Haus unter allen Umständen erhalten. Umso wichtiger ist es, dass sich Neubauten in das historische Umfeld einfügen und vorhandene Straßenzüge aufwerten, der Stadt also auch etwas zurückgeben. Dass das nicht immer gelingt, zeigen Beispiele von Neubauten aus ganz Wien (siehe Fotostrecke unten und den Artikel Bestürzende Neubauten).
Auch das Grundstück in der Hofmühlgasse 6 soll in ein paar Jahren wieder bebaut werden. Geplant ist ein Wohnhaus. Über die Architektur dieses Hauses ist noch nichts bekannt. Angesichts der prominenten Lage des Grundstücks bleibt zu hoffen, dass mehr Wert auf die äußere Erscheinung gelegt wird, als bei den Beispielen oben.
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Quelle: Laut „Standard“ wird der 13A von täglich etwa 42.000 Personen genutzt.
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