Ildefonso war ein Simmeringer. Viele Jahrzehnte lang wurde der süße Nougat-Würfel in einer Fabrik in der Geiselbergstraße produziert. Nachdem der Hersteller erst an Heller, später an Manner verkauft wurde, verlagerte sich 1990 auch die Produktion der traditionsreichen Süßigkeit an einen anderen Standort. Geblieben ist eine gebaute Erinnerung: Die historische Schokoladenfabrik Victor Schmidt & Söhne.
Hinweis: Dieser 2019 erschienene Artikel wurde im Jänner 2023 aktualisiert.
Gebäude mit Geschichte
Der markante Backsteinbau geht auf das Jahr 1905 zurück. Die Pläne stammen von Wilhelm Klingenberg, dem Architekten, der auch die bekannte Zuckerwarenfabrik Heller in Wien Favoriten entworfen hat. Damit reiht sich das alte Simmeringer Produktionsgebäude in eine ganze Epoche gründerzeitlicher Industriearchitektur ein: Die Lokomotivfabrik in der Währinger Straße (heutiges WUK), die Ankerbrot-Fabrik, das Schweineschlachthaus St. Marx (Arena), die Rinderhalle St. Marx und viele mehr.
Investorengruppe plante Totalabriss
Im Gegensatz zu anderen historischen Fabriken fehlt beim alten Gebäude in der Geiselbergstraße der Denkmalschutz – nicht ohne Folgen: Vor einigen Jahren kaufte ein Wiener Immobilieninvestor die riesige Liegenschaft. Ein Plan aus dem Jahr 2017 sah eine großvolumige Bebauung mit Wohnungen vor (siehe unten). Plötzlich war die historische Fabrik angezählt. Ein Jahr später werkten schon die Abrissbagger an dem über 100-jährigen Gebäude.
Kein Totalabriss
Ende Juni 2018 beschloss die rot-grüne Stadtregierung im Eilverfahren ein Gesetz zum Schutz historischer Bauten. Auch die FPÖ stimmte mit. Eine jahrelange Forderung von Denkmalschützern wurde damit erfüllt. Seitdem darf ein Altbau nur mehr dann abgerissen werden, wenn er historisch bzw. architektonisch nicht von Bedeutung ist.
Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes stoppte die Baupolizei den Abriss in der Geiselbergstraße. Kurz danach die Erleichterung: Die alte Fabrik wurde als erhaltenswert eingestuft, der weitere Abbruch untersagt.
Monatelang ruhten die Bauarbeiten. Während sich die Vorderseite des Gebäudes in tadellosem Zustand präsentiert, sieht es dahinter anders aus. Die späteren Zubauten sind fast zur Gänze weggerissen. Weite Teile der Rückseite stehen offen. Ganze Wände fehlen.
Erhalt statt Abriss
Der Investor änderte dann seine Pläne. Der Altbau wurde in den Neubau integriert, wie der Standard im Oktober 2019 berichtete.
Ildefonso ist übrigens auch jetzt noch in Simmering: An den Außenmauern der alten Fabrik hat der Abriss der Nebengebäude eine alte Reklame ans Tageslicht befördert (Foto unten). So wird die süße Vergangenheit zumindest bis zur Errichtung des Neubaus noch einmal sichtbar.
2020: Es wird gebaut und renoviert
Von Anfang 2020 an war die große Baustelle schon von weitem zu sehen. Kräne waren aufgebaut, Keller wurden ausgehoben, die Neubauten wuchsen allmählich in die Höhe. Hier Aufnahmen vom Mai 2020:
Auch bei der alten Fabrik liefen Bauarbeiten. Ein Rendering der renovierten Fassade war schon 2020 zu sehen:
Nur die Fassade ist geblieben
Ende 2021 waren die Bauarbeiten weitgehend abgeschlossen. Von der Fabrik ist nur noch die Fassade geblieben. Dahinter und an den Seiten befindet sich nun eine Wohnhausanlage.
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