Hinter(n) der Stadt: Schwedenplatz & Morzinplatz

Der Schwedenplatz ist einer der bekanntesten und frequentiertesten Plätze Wiens. Trotz seiner ausgezeichneten Lage ist er unverkennbar vernachlässigt. Seit Jahrzehnten lässt eine Neugestaltung auf sich warten.

Zugleich ist der Schwedenplatz auf eine nicht unsympathische Art ehrlich. Hier sehen Touristen das Wien, wie es für viele Bewohner in vielen Bezirken Alltag ist: unattraktive öffentliche Räume, langweilige Architektur, viel Asphalt, viel Autoverkehr.

Autos, Bäume, Häuserzeile, Schwedenplatz
Schwedenplatz im Februar 2025

Der räudige Rand der Inneren Stadt

Ist der Schwedenplatz der hässlichste Platz Wiens? Wahrscheinlich nicht, denn die Hauptstadt kann mit einer ganzen Reihe an unansehnlichen Plätzen aufwarten. Im Gegensatz zu Verkehrshöllen wie dem Matzleinsdorfer Platz (5. Bezirk) oder dem Liechtenwerder Platz (9. Bezirk) hat der Schwedenplatz viel zu bieten: Imbisse, Geschäfte und eine hervorragende Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Vor allem aber eine unerreicht gute Lage im Stadtzentrum. Wird nur die reine Funktion in den Vordergrund gestellt, läuft es am Schweden- und Morzinplatz nicht so schlecht, wie die schroffe Ästhetik erwarten ließe.

Leute in einer Fußgängerzone in Wien, Geschäfte, Häuser, Bäume, Laternen
Fußgängerzone am Schwedenplatz und Franz-Josefs-Kai (Foto: 2025)

Zerstörte Häuserzeile

Dass der Schwedenplatz ein so trauriges Dasein fristet, ist auch seiner Geschichte geschuldet. Im Zweiten Weltkrieg wurde eine ganze Häuserzeile am Franz-Josefs-Kai zerstört und nicht wiederaufgebaut. Fast alle Häuser am alten Schwedenplatz fielen den Kampfhandlungen zum Opfer. Wo sich heute die U-Bahn-Aufgänge und die Straßenbahnstation befinden, war ursprünglich bebautes Gebiet und kein Platz.

historische Fotoaufnahme eines Platzes in Wien, Schwedenplatz, Donaukanal, Brücke, Stephansdom
Schwedenplatz vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs; an der Stelle der Häuser ganz links steht heute das Hotel Capricorno (Foto: nach 1925, Wien Museum, Inv.-Nr. 205081)

Die Häuserzeile auf dem Foto unten wurde im Krieg zerstört. Auch die hohen Laternen und das schmucke Stationsbauwerk der Stadtbahn gibt es heute nicht mehr. Einzig das Haus ganz links, hinter der Würfeluhr, hat sich erhalten. Aus der prachtvollen Promenade wurde mit der Zeit eine abweisende Verkehrsfläche. In der Frage der äußeren Gestaltung von Gebäuden, der Straßenmöblierung und der Erdgeschoßzonen ist das heutige Wien nur noch ein Schatten seiner Vergangenheit. (Andere Aspekte, etwa die katastrophale Wohnsituation vieler Menschen zur Jahrhundertwende, wird man sich hingegen nicht zurückwünschen.)

Nachdem der Sinn für Urbanität in und ab der Nachkriegszeit vielfach abhandengekommen war, setzten sich auch keine nachhaltige attraktive Nutzung und Gestaltung am Franz-Josefs-Kai durch. Auch eine originalgetreue Rekonstruktion der zerstörten Häuser erfolgte nicht, was angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg verständlich wird. Getreu den Anforderungen der „autogerechten Stadt“ wurden in der frühen 2. Republik weite Flächen für Fahrbahnen und Parkplätze bereitgestellt und der öffentliche Raum in der Folge immer unwirtlicher.

parkende Autos auf einem Platz in Wien, altes Foto
1962: Schwedenplatz (Foto: fortepan 201741, Jakab Antal)

Erfreulicherweise ist Wien nicht dem Beispiel anderer europäischer Städte gefolgt, die mit dem Siegeszug des Autos gleich auch noch ihr Straßenbahnnetz entsorgten. Zwar schrumpfte das Netz, das seine größte Ausdehnung in den 1920ern erreicht hatte, kontinuierlich. Aber viele Linien blieben erhalten, auch am Ring, Franz-Josefs-Kai und Schwedenplatz.

Straßenbahnen vor der Häuserzeile am Schwedenplatz, Franz-Josefs-Kai
Haltestelle am Schwedenplatz im Jahr 1979 (Foto: TARS631)

Triste autogerechte Stadt

Der große Busparkplatz und die Tankstelle entlang des Franz-Josefs-Kais nehmen rund 20% der Platzfläche ein.[3]. Solche Nutzungen mögen in der Peripherie gut aufgehoben sein, wirken aber am Rand einer Altstadt schwer deplatziert. Ihre immer wieder angedachte Entfernung gestaltet sich aufgrund bestehender Verträge schwierig.[7]

Düster sieht es am Morzinplatz aus, unter dem sich eine 1974 erbaute Garage befindet.[3] Die Flächen bei den angrenzenden Häusern im Nordwesten haben den Platz mehr im Namen als in der Gestaltung und Verkehrsführung. Immerhin hat die Tiefgarage dafür gesorgt, dass der riesige Parkplatz an der Oberfläche verschwunden ist.

Auto fährt aus der Tiefgarage am Morzinplatz
Morzinplatz (Foto: Februar 2025)

Die Nebenfahrbahn zwischen Schweden- und Morzinplatz (Foto unten) ist nicht nur eine ästhetische Zumutung, sondern verweist auch auf die Prioritäten in der Verteilung des öffentlichen Raums.

Fahrbahn eines Platzes in Wien, Bäume, Autos, Litfaßsäule, Personen
Schwedenplatz: viel Asphalt (Foto: 2020)

"Schnellstraße" am Altstadtkern

Eine schwere Beeinträchtigung des Schwedenplatzes stellt der bis zu fünf Fahrspuren breite Franz-Josefs-Kai dar. Er wurde zu einer Art Schnellstraße ausgebaut, die die Innere Stadt von Donaukanal und 2. Bezirk trennt.

Autos fahren auf mehreren Spuren an einer Häuserzeile vorbei
Franz-Josefs-Kai (Foto: 2019)

Das ohnehin traurige Stadtbild wird auch noch von konstant hohem Verkehrslärm untermalt.

Autoverkehr am Franz-Josefs-Kai, Leute warten an einer Kreuzung, Straßenbahnschienen
Foto: 2019

Ausfransende Fußgängerzone

Das Problem vieler Wiener Plätze ergibt sich aus der Anordnung und Verteilung der Verkehrsflächen. Diese Plätze haben in der Mitte Frei- und Grünflächen, die von Fahrbahnen und Parkplätzen umgeben sind. Die Trennung von Platzmitte und Rändern (Häusern) erschwert eine aktive Nutzung der mittigen Freiflächen und der Erdgeschoßzonen. Zu sehen etwa am Esteplatz im 3. Bezirk. Beim Schwedenplatz ist das anders.

Karte von Schwedenplatz, Morzinplatz und Teilen des Franz-Josefs-Kais
Verkehrsflächen um den Schweden- und Morzinplatz (Kartenbasis: © ViennaGIS)

Die autofreien Flächen am Schwedenplatz sind deutlich größer als die anderer Plätze, fransen aber an den Rändern aus. Sie reichen im Bereich zwischen Laurenzerberg und Rotenturmstraße bis an die Häuser heran, sodass die Erdgeschoße entsprechend intensiv genutzt werden (Eissalon, Imbisse, Geschäfte usw.).

Eissalon am Schwedenplatz am Abend
Eissalon am Schwedenplatz (Foto: 2022, geoff dude, CC BY-NC-ND 2.0)

Am Morzinplatz und am eigentlichen Schwedenplatz, also der Fläche vorm Hotel Capricorno, stören Fahrbahnen und Parkplätze den Fußgängerverkehr. Ein Platzgefühl kann so nicht entstehen.

Asphalt: Wiener Normalität

Asphalt kommt in Wien für Fußgängerflächen und Parkplätze seit Jahrzehnten exzessiv zur Anwendung. Während dieser Belag bei Fahrbahnen aufgrund des kostengünstigen Preises und der positiven Lärmeigenschaften (das Befahren von Asphalt verursacht weniger Geräusche) sinnvoll ist, entstehen zugleich die bekannten Probleme: Bodenversiegelung, Verstärkung sommerlicher Hitze, Tendenz zum „Flickenteppich“ nach Umbauten, unattraktive Optik. Während andere Gehsteige, Fußgängerzonen und Plätze in der Inneren Stadt gepflastert sind, ist am Schwedenplatz zum großen Teil Asphaltbelag zu finden. Langfristig wäre es sinnvoll, die Verwendung von Asphalt auf Fahrbahnen zu beschränken, Parkplätze und Fußgängerflächen aber zu pflastern.

Fußgängerzone in Wien, Innere Stadt, Asphaltbelag, Eissalon
Fußgängerzone beim Hafnersteig (Foto: 2024)

Grün im Grau

Nicht alles ist grau am und um den Schwedenplatz. Auf dem Platz stehen etliche alte Bäume, am Morzinplatz sind Rasenflächen, am Franz-Josefs-Kai Baumreihen. Dass beim Morzinplatz nicht mehr Bäume stehen, hat wahrscheinlich mit der darunterliegenden Tiefgarage zu tun.

Rasenfläche am Morzinplatz in Wien
Rasenfläche zwischen Morzinplatz und Kai (Foto: 2020)

Umgestaltung geplant - aber nie ausgeführt

Die Debatte um den Schwedenplatz ist keineswegs neu. Der letzte Versuch, dem Platz ein neues Gesicht zu geben, fiel in die Rot-Grüne Regierungsperiode unter Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne). 2012 konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Wünsche online und vor Ort deponieren, Verkehrsanalysen und eine Sozialraumanalyse wurden erstellt.[1] Eine 2014 durchgeführte Verkehrsstudie ergab, …

… dass im Bereich Schwedenplatz durchgängig zumindest ein Fahrstreifen [am Franz-Josefs-Kai] entfallen könnte, ohne dass es dabei zu relevanten Beeinträchtigungen des Autoverkehrs käme. [3]

Die immer wieder vorgeschlagene Tunnelführung des Kais sei aber nicht sinnvoll:

Für die Variante der Untertunnelung stellte sich heraus, dass eine technisch aufwändige, zweistreifige Untertunnelung des Schwedenplatzes nicht die geforderte verkehrliche Leistungsfähigkeit aufwiese, um die oberirdische Verkehrsführung ersetzen zu können. [3]

Platz gewinnen ließe sich durch eine Verlegung der Straßenbahngleise:

Im Rahmen einer Studie der Wiener Linien wurde festgestellt, dass es möglich ist, nach einer (…) Absiedlung der örtlichen Tankstelle und des Busparkplatzes die Straßenbahngleise westlich der Rotenturmstraße Richtung Franz-Josefs-Kai zu verschwenken. So könnte der öffentliche nutzbare Raum wesentlich erweitert werden. [3]

2015-2016 wurde ein Architekturwettbewerb abgehalten. Unter 60 Einreichungen gingen die Büros realgrün Landschaftsarchitekten und FCP als Sieger hervor. Das Siegerprojekt sah 160 neue Bäume vor.[2] Busparkplatz und Tankstelle sollten abgesiedelt werden, um Platz für andere Nutzungen zu schaffen. Gebaut wurde bis heute nichts davon.

2019 verweigerte Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) einen von der Stadtregierung gewünschten Spatenstich, da nur ein kleiner Teil des Projekts umgesetzt hätte werden können und keine Garantie für den Bau des gesamten Projekts bestanden habe.[5] Noch 2013 hatte die ÖVP aber gegen den geplanten Entfall einer Fahrspur am Kai demonstriert; diese Spurreduktion war Teil des später ausgearbeiteten Neugestaltungsprojekts, das von der ÖVP dann aber nicht öffentlich bekämpft wurde.[6]

2024 hieß es von der Stadtregierung, ein Umbau stehe aktuell nicht im Fokus.[4]

Wie weiter mit dem Schwedenplatz?

Vor und im Siegerprojekt des Wettbewerbs wurden bereits viele Fragen und Ziele geklärt.[3] All das ist nach wie vor gültig und sollte nicht über Bord geworfen werden. Darunter fallen:

  • Ausweitung der Fußgängerzone auf die Fläche zwischen Rotenturmstraße und Rabensteig
  • Entfall einer Fahrspur am Franz-Josefs-Kai, sodass Platz für Fußgänger und Begrünung gewonnen werden kann
  • Versetzung der Straßenbahngleise in Richtung Kai (möglich erst nach Absiedlung von Tankstelle und Busparkplatz) – zwecks Platzgewinn
  • „Ausräumen“ des Platzes: Reduktion von Platzmobiliar (Litfaßsäulen, Werbetafeln, Kioske usw.)
  • Mehr Trinkbrunnen
  • Aufwertung des Platzes vor der Ruprechtskirche

Zusätzlich zu den oben angeführten Maßnahmen könnte sich eine Umgestaltung noch an folgenden Eckpunkten orientieren:

  • Vergrößerung der Fußgängerzone, Anschluss an bestehende Fußgängerzonen und verkehrsreduzierte Bereiche, Verkehrsberuhigung angrenzender Gassen
  • Weniger Autoverkehr: Ziel muss es sein, nicht-notwendigen Kfz-Verkehr aus der dichten Stadt herauszubringen.
  • Wenn durch bestehende Verträge eine Entfernung von Tankstelle und Busparkplatz nicht zeitnah möglich ist, darf das eine Umgestaltung des übrigen Platzes nicht aufhalten.
  • Erhalt der bestehenden Rasenflächen
  • Verschmälerung der Kfz-Flächen am Morzinplatz und um das Hotel Capricorno (Fahrverbote mit Ausnahmen für Anrainern, Garagenzufahrt und Lieferanten etc.), Entfernung der Parkplätze
  • Pflanzung von Bäumen: Pflanzung von so vielen Bäumen wie möglich, idealerweise mit nicht zu großen offenen Baumscheiben (um Platz zu sparen und so viel Fläche für Fußgänger wie möglich zu erhalten)
  • Entsiegelung mit Maß: Schaffung eines Grünstreifens als Abgrenzung zur Straße am Kai; abgesehen davon keine weiteren großen offenen Grünflächen (die ja Beanspruchung durch Fußgänger nicht gut vertragen)
  • Pflasterung statt Asphalt: Einheitliche Pflasterung mit Natursteinen, einheitliches Höhenniveau über den ganzen Platz hinweg, helles Material; Kombination aus dichten Baumpflanzungen mit begehbaren Baumscheiben mit heller Pflasterung (Beispiele: Plaza de Santa Bárbara in Madrid, Brusselplein in Utrecht) in stark beanspruchten Bereichen
  • Schöne Beleuchtung: Aufstellen von attraktiven Straßenlaternen nach historischen Vorbildern (Beispiele: Stubenring, Am Hof, beim Burgtheater)
  • Achtgegeben werden muss auf die Auswirkungen auf Anwohner (nächtlicher Lärm durch Feiernde, Sicherheit usw.); falls Probleme anders nicht zu lösen sind, kann – wie in anderen Städten – an örtlich begrenzte Videoüberwachung gedacht werden

Kontakte zu Stadt & Politik

www.wien.gv.at
post@bv01.wien.gv.at
+43 1 4000 01111

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

Die Bezirksvertretungen sind die Parlamente der Bezirke. Die Parteien in den Bezirksvertretungen werden von der Bezirksbevölkerung gewählt, meist gleichzeitig mit dem Gemeinderat. Jede Partei in einem Bezirk kann Anträge und Anfragen stellen. Findet ein Antrag eine Mehrheit, geht er als Wunsch des Bezirks an die zuständigen Stadträte im Rathaus. (Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Sitze in der Bezirksvertretung im Dezember 2020.)
+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum. WienSchauen hat auch einen Newsletter:

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