Ein Gründerzeithaus nahe der Simmeringer Hauptstraße wurde von den Behörden zum Abriss freigegeben.
Abriss wegen angeblicher Abbruchreife
Seit einer Gesetzesreform Mitte 2018 sollten Altbauten in Wien eigentlich besser vor Abrissen geschützt sein. Doch dieser Schutz versagt regelmäßig. Abrisse werden mit der Begründung „Abbruchreife“ trotzdem erlaubt, was viel Kritik nach sich zieht. Auch das sanierungsbedürftige Gründerzeithaus in der Hauffgasse ist so ein Fall. Während die Fenster nicht allzu alt sein dürften, ist die Fassade schon teilweise schadhaft, obwohl im Baurecht eine Erhaltungspflicht gilt.
Bekannt wurden die Abrisspläne durch eine Anfrage im Gemeinderat. Gestellt wurde diese Anfrage von Georg Prack, dem Wohnbausprecher der Wiener Grünen. Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál (SPÖ) lieferte in der Antwort interessante Informationen: welche Häuser trotz Erhaltungswürdigkeit abgerissen werden dürfen und bei welchen Häusern noch Abbruchverfahren laufen. Das ist ein seltener Einblick, denn sonst werden solche Daten nicht herausgegeben. In der Antwort finden sich zahlreiche Adressen, etwa in Währing, Penzing, Hietzing und Rudolfsheim-Fünfhaus. Weiterhin völlig intransparent sind aber die Details zu Abbruchverfahren, einschließlich der Privatgutachten, auf deren Grundlage die Behörden die „Abbruchreife“ ermitteln.
Fassade mit Renaissanceformen
Architekt des Gebäudes in der Hauffgasse 7 war Ferdinand Kaindl (1842-1901), ein aus dem damaligen Böhmen stammender Baumeister. Das Architektenlexikon schreibt über das Haus:
[E]in zweistöckiges Gebäude, errichtet nach traditionellem Schema in einfachen Renaissanceformen, bei dem das 1. Stockwerk durch Fenster hervorgehoben ist, die durch plastisch vortretende Dreiecksgiebel betont werden. Die äußeren Achsen werden durch eine Ortsteinrahmung akzentuiert und haben Segmentgiebel als Fensterverdachung.
Da bereits eine Abbruchgenehmigung vorliegt, lässt sich der Abriss nicht mehr verhindern. Offensichtlich hatte der Altstadterhaltungsfonds, der zu Stadträtin Veroncia Kaup-Hasler (SPÖ) gehört, keine Sanierungsförderung bereitgestellt, um den Abriss abzuwenden.
Der Architekt des Gebäudes, Ferdinand Kaindl, war …
… anfangs als Maurer und Polier tätig und arbeitete sich über den Maurermeister bis zum erfolgreichen Baumeister hoch. Er war ein anerkannter Schätzmeister und trug den Titel k.k. Baurat. Kaindls Tätigkeit war auf Simmering beschränkt, wo er alle Arten von Baumeisterarbeiten ausführte (…) Vier Tage vor seinem 59. Geburtstag verstarb der verwitwete Ferdinand Kaindl und wurde am Simmeringer Friedhof bestattet. Seine Söhne waren noch zu jung, um die väterliche Firma übernehmen zu können, weshalb sie aufgelöst wurde. Beide absolvierten jedoch eine Ausbildung im Baufach, Ferdinand an der Akademie der bildenden Künste bei Otto Wagner, Wilhelm wurde Architekt im Wiener Stadtbauamt.
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Quellen
- Ferdinand Kaindl sen. im Architektenlexikon
- Zahlen zur wirtschaftlichen und technischen Abbruchreife (Anfrage von Georg Prack (Grüne), 33. Sitzung des Gemeinderates vom 25.01.2023)
- Zahlen zur wirtschaftlichen und technischen Abbruchreife (Antwort von Kathrin Gaál (SPÖ), 36. Sitzung des Gemeinderates vom 23.03.2023)
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