In Döbling wird eine Villa aus der Zwischenkriegszeit abgerissen. Das Gebäude nahe Grinzinger Allee und Billrothstraße wirkt äußerlich einwandfrei. Trotzdem wurde von den Behörden ein Abriss wegen angeblicher Abbruchreife erlaubt.
Haus aus der Zwischenkriegszeit
Das Haus in der Gersunygasse 14 liegt in einem von Einfamilienhäusern und Villen geprägten Gebiet Döblings. Häuser aus unterschiedlichen Bauperioden sind hier zu finden, es dominieren die späte Gründerzeit (um/nach 1900) und die Zwischenkriegszeit.
In der Gersunygasse stehen einige äußerlich ähnliche Häuser. Als Gestaltungsmittel fungieren Satteldächer und leicht dekorierte Fassaden, die teilweise aus Holz sind. Einige Gebäude entsprechen der damals gängigen Heimatschutz-Architektur.
Baujahr und Architekt des Gebäudes in der Gersunygasse 14 ließen sich nicht herausfinden. Im Stadtplan von 1914 ist das Grundstück noch als unbebaut eingezeichnet, auf einem Luftbild aus dem Jahr 1938 ist das Haus dann schon zu sehen.
Die Fassade dürfte noch komplett original sein, ebenso das Geländer des Balkons. Die Sprossenfenster passen auch genau in die Zeit der Erbauung.
Interessant ist der behutsame Dekor um die unteren Fenster, wo auch Klinker verwendet wurde. Die Betonung der Waagrechten, die durch hervorstehende Bauelemente deutlich wird, ist typisch für die Zwischenkriegszeit und kennzeichnet viele alte Gemeindebauten und ist auch im Bauhaus prominent.
Haus sei abbruchreif
Die Adresse Gersunygasse 14 scheint in einer Liste von genehmigten Abbrüchen auf. Diese Liste wurde vom Wohnbauressort auf eine Anfrage im Gemeinderat hin herausgegeben. Aufgeführt sind Häuser, die wegen angeblicher Abbruchreife zum Abriss freigegeben wurden. Das heißt: Alle diese Häuser waren nach Einschätzung der Architekturbehörde (MA 19) erhaltenswert, dürfen aber trotzdem abgebrochen werden.
Weitere Häuser in Döbling vor Abriss
2022 wurde auch der Abbruch weiterer Altbauten im 19. Bezirk mit derselben Begründung genehmigt: Cobenzlgasse 69 (Grinzing) und Budinskygasse 24 (Oberdöbling).
Abriss-Schutz: Gesetz voller Lücken
WienSchauen dokumentiert laufend Hausabbrüche, die alle nach einem ähnlichen Muster verlaufen: Vor 1945 erbaute Häuser haben einen gesetzlichen Abbruch-Schutz. Dieser Schutz kann umgangen werden, wenn ein Haus abbruchreif sei – also wirtschaftlich nicht mehr zu sanieren. Festgestellt wird das durch von Eigentümern beauftragte und bezahlte Gutachten. Diese Gutachten werden von der Magistratsabteilung 25 akzeptiert und geprüft. Die Sanierungsförderungen (Wohnbauförderung, Altstadterhaltungsfonds) reichen meist nicht aus, um die Differenz auf die errechnete Sanierbarkeit zuzuschießen. Die Baupolizei (MA 37) genehmigt daraufhin den Abbruch. Eine Reform von Gesetz, Abbruchverfahren und Förderwesen ist dringend erforderlich (siehe auch die Infos auf dieser Seite ganz unten).
Folgende Artikel thematisieren solche Abbrüche: Hohenbergstraße 18 und Pohlgasse 36 (12. Bezirk), Rohrbacherstraße 29 (13. Bezirk), Linzer Straße 83 (14. Bezirk), Sperrgasse 13, Kranzgasse 24, Rosinagasse 10-14 (15. Bezirk), Lacknergasse 31 (17. Bezirk), Gentzgasse 4, Pötzleinsdorfer Straße 90 (18. Bezirk), Leopoldauer Platz 9 und 11 (21. Bezirk), Oberlaaer Straße 375 (23. Bezirk).
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(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
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Quellen
- Zahlen zur wirtschaftlichen und technischen Abbruchreife (Anfrage von Georg Prack (Grüne), 33. Sitzung des Gemeinderates vom 25.1.2023)
- Zahlen zur wirtschaftlichen und technischen Abbruchreife (Antwort von Kathrin Gaál (SPÖ), 36. Sitzung des Gemeinderates vom 23.3.2023)
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