Die autofreie Fläche am Friedrichsplatz wurde vergrößert, begrünt und stellenweise entsiegelt. Ein Abschnitt der angrenzenden Staglgasse wurde zur Fußgängerzone. Zusammen mit anderen umgebauten Straßen ist eine begrünte und teilweise verkehrsberuhigte Verbindung zum Westbahnhof entstanden.
Der Friedrichsplatz wächst zusammen
Der 15. Bezirk südlich der Westbahngleise ist von dichter Bebauung geprägt, Grünflächen gibt es wenige, die Bevölkerungsdichte ist hoch. Selbst die wenigen bestehenden Plätze sind mitunter so aufgeteilt und gestaltet, dass die Nutzung durch die Bewohner nur eingeschränkt möglich ist.
Zwischen einer Volksschule und dem Bezirksamt liegt der Friedrichsplatz. Ein Teil des Platzes ist schon lange eine Fußgängerzone, drei Seiten hingegen dem Kfz-Verkehr vorbehalten. Das Dilemma der „Plätze ohne Platz“ wird auf dem Foto unten deutlich. Die de facto dreispurige Straße trennte die Platzmitte vom Rand:
Das nächste Foto zeigt den Platz vor der Umgestaltung. Im Vordergrund ist die schon lange autofreie Fläche, im Hintergrund die Straße, die 2022 umgestaltet wurde.
Neugestaltung 2022
Die Fahrbahn auf der Rückseite des Bezirksamts wurde für den motorisierten Verkehr gesperrt, wofür auch Modalfilter (Poller) sorgen. Das Durchfahren mit dem Rad ist erlaubt. Der Asphalt wurde entfernt und durch eine helle Pflasterung – sinnvoll zum Schutz vor Hitze – ersetzt. Teilweise wurden die Pflastersteine lose gesetzt, um den Boden durchlässiger zu machen. Neue Bäume wurden gepflanzt und mehr Sitzgelegenheiten geschaffen.
Auf dem Foto unten ist rechts und im Vordergrund die schon bestehende Freifläche mit Bäumen zu sehen, hinten und links sind die neuen verkehrsberuhigten Flächen.
An der Rückseite des Bezirksamts wurden Grünstreifen angelegt. Das erinnert an die „Fassadengärten“ („Geveltuin“) in den Niederlanden und Belgien.
Die Grünflächen gibt es seit der Umgestaltung:
Auf zwei Seiten ist der Platz weiterhin von Asphalt bestimmt. Der Umbau wurde nicht über die ganze Fläche des Platzes gezogen, sodass sich ein zusammenhängendes und einheitliches Bild nicht einstellen will.
Anfügen an den Rand
Viele schöne und gut funktionierende Plätze sind so aufgebaut, dass zwischen Platzmitte und Rändern (Häusern) keine oder nur wenige reguläre Straßen verlaufen. Besonders kleine Plätze und solche in dicht verbauten Gebieten sind unter diesem Gesichtspunkt interessant. Das Gegenteil: Plätze, die in der Mitte kleine autofreie Flächen – eventuell auch Parks – haben, während rundherum Autoverkehr dominiert. Diese „Kreisverkehre“ erschweren eine aktive Nutzung durch die Bevölkerung. Beim Umbau solcher Plätze kann eine Verbesserung durch die „Methode des Anfügens“ erreicht werden, wie die Stadtplanerin Hilde Barz-Malfatti und der Forscher Stefan Signer in ihrem Werk „Die neue Öffentlichkeit – Europäische Stadtplätze des 21. Jahrhunderts“ schildern:
Die Methode des Anfügens basiert auf der Reduktion und Verlegung der Verkehrsflächen, ohne den Verkehr komplett zu beseitigen. Indem einzelne Straßen vom Platz entfernt werden, kann die Platzfläche an mindestens einer Seite an den bebauten Rand angefügt werden, wodurch die isolierende Inselwirkung aufgehoben wird. Die direkte Verbindung von Platzfläche und Randbebauung führt häufig zu einer intensiveren Nutzung und einer stärkeren Frequentierung der sich am Rande befindlichen Nutzungen.
Beim Friedrichsplatz war eine Seite bereits an den Rand – die Schule – angeschlossen. 2022 wurde auch eine zweite Seite an den bebauten Rand gefügt:
Alte Bäume am Friedrichsplatz
Nicht neu sind die meisten Bäume. Sie sind schon auf einer Luftaufnahme aus den 1970ern zu sehen. Der älteste Baum ist laut Kataster ein 1949 gepflanzter Bergahorn. Die alten Bäume wirken sich positiv auf das Mikroklima aus, im Sommer ist es angenehm schattig.
Staglgasse wurde Fußgängerzone
Auch die angrenzende Staglgasse wurde auf einem kurzen Abschnitt für den motorisierten Verkehr gesperrt und begrünt.
Die Staglgasse war zuvor eine Wohnstraße, wie es viele in Wien gibt: durch Parkplätze auf beiden Seiten nicht von anderen Straßen zu unterscheiden und demnach für den eigentlichen Zweck nicht brauchbar. Auch das Durchfahren – bei Wohnstraßen eigentlich nicht erlaubt – wurde dadurch nicht unterbunden. Nur eine blaue Markierung verwies auf die Besonderheit. „Kinder dürfen auf der Fahrbahn spielen“ – heißt es bei der Stadt Wien über Wohnstraßen. Davon kann in solchen Fällen nur abgeraten werden.
Bei der Umgestaltung wurden der Asphalt entfernt, eine Pflasterung verlegt und Bäume gepflanzt. Poller verhindern das Durchfahren von Kfz, das Radfahren ist gestattet.
Langauergasse: Parkplatz wurde Park
Die Langauergasse hinter dem Westbahnhof war lange Zeit ein unattraktiver Parkplatz mit einigen Bäumen dazwischen. Im Zuge einer Umgestaltung ist daraus ein kleiner Park geworden.
Grüne Verbindung zwischen Westbahnhof und Friedrichsplatz
Die große Änderung für das Grätzl kam mit dem Bau einer Filiale von IKEA, wobei auch gleich die Umgebung mitgeplant wurde. Die Anwohner entschieden sich in einer Abstimmung für umfangreichere Veränderungen: viel Begrünung, viel Platz für Fußgänger und Radfahrer, starke Reduktion der Flächen für Kfz. Durch die verschiedenen Baumaßnahmen ist eine begrünte und teils autofreie Verbindung zwischen Westbahnhof und Friedrichsplatz entstanden, von der auch der Radverkehr profitiert. In einem Bezirk mit hoher Bevölkerungsdichte, wenigen Grünflächen, einer hohen Hitzebelastung und einem niedrigen Motorisierungsgrad (wenige Pkw pro Einwohner) eine wichtige Maßnahme.
In der mittig liegenden Gasgasse wurden Bäume gepflanzt. Großflächige Begrünungen kamen nicht, Asphalt als Bodenbelag für Fahrbahn und Gehsteige blieb erhalten.
Auch nach der Begrünung ist die Gasgasse durch parkende Fahrzeuge geprägt. Der gegen die Einbahn führende Radstreifen ist nicht baulich getrennt von der Fahrbahn ausgeführt.
Attraktiv & lebenswert: Es geht noch viel besser
Seit einigen Jahren ist der öffentliche Raum, seine Nutzung und seine Gestaltung, verstärkt politisches Thema. In vielen Bezirken wurden mehr oder minder große Projekte umgesetzt, von großen Umgestaltungen (Mariahilfer Straße, Neubaugasse) über kleinräumige Änderungen (Zollergasse, Pfeilgasse) bis zu unausgereiften Projekten (Wehrgasse). Spürbar ist das neu erwachte Bewusstsein, dass der öffentliche Raum nicht nur dem Kfz-Verkehr dient, dass er allen gehört, dass seine Aufwertung auch den Erdgeschoßzonen und deren Geschäftslokalen nützt und dass der Klimawandel Änderungen erzwingt. Einzelne Bauprojekte stechen heraus, weniger Beachtung findet der Durchschnitt: Die Gestaltung und Aufteilung der allermeisten Straßen, Gassen und Plätze hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum geändert. Das durchschnittliche Straßendesign ist nach wie vor an Asphalt und Autoverkehr orientiert, die eine triste Ästhetik hervorbringen, die die meisten öffentlichen Räume alles andere als lebenswert macht. Nicht überall sieht es so aus.
Führend bei der Planung von fußgänger- und radfahrerfreundlichen Flächen sind die Niederlande. Die hohe Qualität zieht sich dort durch – von Stadtzentren bis zu kleinen Nebenstraßen. Platz für den Radverkehr, attraktive Bodenbeläge und eine einladende Straßenmöblierung schaffen ein völlig anderes Straßenbild, als es aus Wien bekannt ist. Die Erdgeschoßzonen sind freundlicher, der öffentliche Raum häufig grüner. Vorschriften, Bebauungsdichte und der Umgang mit dem öffentlichen Raum sind von ganz anderen Traditionen bestimmt.
Will Wien wirklich „raus aus dem Asphalt“, ist es noch ein weiter Weg. Ein Blick in die Niederlande könnte dabei nicht schaden. Warum soll, was dort funktioniert, nicht auch in Österreichs Hauptstadt klappen?
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