Ein Blues geht durch Kaisermühlen. In dem aus der Fernsehserie bekannten Stadtteil an der Donau ist es in den letzten Jahren zu zahlreichen Abrissen historischer Häuser gekommen. Künftig wird eine neue Schutzzone die noch verbliebenen Altbauten vor dem Abbruch bewahren. Während im ersten Entwurf viele Häuser nicht berücksichtigt waren, lässt der zweite – aktuelle – Entwurf kaum einen Wunsch offen. Sogar das Haus mit der aus der TV-Serie bekannten Trafik kommt in die Schutzzone.
Insel unter Druck: Viele Gebäude bereits abgerissen
Noch gibt es sie, die Häuser aus dem ganz alten Kaisermühlen mit ihren kunstvollen Stuckfassaden aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Versteckt zwischen großen Gemeindebauten, modernen Wohnhäusern und unscheinbaren Nachkriegsbauten haben sie sich bis heute erhalten – und werden rasant weniger. Kaisermühlen ist zum begehrten Pflaster für Immobilienentwickler geworden. Und deren Devise lautet häufig Abriss und Neubau statt Sanierung und Dachausbau.
Oft ist es der von der Stadt Wien festgesetzte Bebauungsplan, der Abrisse erst richtig lukrativ macht: Zum einen gab es die längste Zeit keine Schutzzonen, obwohl das rein rechtlich seit 1972 möglich ist. Zum anderen sind die maximal erlaubten Bauhöhen oft viel höher als die alten Häuser. Abbrüche sind die logische Folge.
Abgerissen: Schüttaustraße 56
Das Gründerzeithaus in der Schüttaustraße 56 aus dem Jahr 1879 war vielleicht eines der prächtigsten Gebäude Kaisermühlens (Foto unten). Noch bis zum Abriss 2014 war die schmuckvolle Fassade im originalen Zustand des 19. Jahrhunderts. Jetzt befindet sich an dieser Stelle ein Wohnblock mit Vorsorgewohnungen – ein Investment, an dem sich auch ein bekannter ehemaliger ÖSV-Skifahrer beteiligt hat.
Abgerissen: Schiffmühlenstraße 55
Das Wohnhaus in der Schiffmühlenstraße 55 (Foto unten) wurde 1893 erbaut und 2014 komplett abgebrochen.
Abgerissen: Moissigasse 11
Gleich um die Ecke lag das alte Wohnhaus Moissigasse 11 (Foto unten). Der auffällige Dekor stammte aus der Zeit um 1900 und fand sogar in der Fachliteratur des Bundesdenkmalamts Erwähnung. Trotzdem wurde das Gebäude 2017 abgerissen.
Die Adresse Moissigasse 11 taucht auch in einer parlamentarischen Anfrage von Ruth Becher (SPÖ) an die ehemaligen Bundesminister Herbert Kickl (FPÖ) und Josef Moser (ÖVP) auf. Unter dem Titel „Organisierte Altbau-Vernichtung“ führte die SP-Bautensprecherin eine Reihe von Liegenschaften an, die alle demselben Eigentümer gehören. In zahlreichen Fällen scheint der Bauträger nach dem Muster Abriss mit anschließendem Neubau vorgegangen zu sein. Neben dem Haus in der Moissigasse findet sich auch das Wohnhaus Radetzkystraße 24-26 darunter. Dieses über 160 Jahre alte Gebäude wurde 2018 teilweise abgerissen, obwohl es noch bewohnt war (und ist). Bis heute fehlen Dach und oberstes Geschoß.
Forderung nach Schutz für alte Häuser schon 2014
„Verliert die Donaustadt ihr historisches Erscheinungsbild?“ Diese Frage stellte die Initiative Denkmalschutz 2014, als ein bekanntes Jugendstilhaus in der Donaufelder Straße einem Wohnkomplex weichen musste. Wie Kaisermühlen ist auch die ganze Donaustadt unter hohem Veränderungsdruck. In zumindest einem Fall sollen für einen Abriss sogar nach und nach Mieter aus einem Wohnhaus vertrieben worden sein.
Solche Fälle sind es, die zu einem Umdenken in der Bezirkspolitik geführt haben. Bereits im Mai 2014 stellte die FPÖ einen Antrag für eine Schutzzone für Essling. Im selben Jahr beantragten die Donaustädter Grünen Schutzzonen gegen Abrisse für die anderen alten Ortskerne des Bezirks, wohl einschließlich Kaisermühlens. Doch der Antrag landete in einer Kommission. Erst 2017 kam eine Einigung im Bezirksparlament zustande. Bausperren als Vorbereitung auf die Schutzzonen folgten – doch leider zu spät, denn „genau dort werden jetzt (…) schwere Breschen in den für die Schutzzonenwidmung vorgesehenen Altbaubestand geschlagen“, berichtete die Initiative Denkmalschutz über einige hektische Abrisse. Auch das oben erwähnte Haus Moissigasse 11 war so ein Last-Minute-Abriss.
Neuer Schutz für viele Altbauten
Im April 2019 wurde der erste Enwturf für eine neue Schutzzone öffentlich. Trotz der langen Vorbereitungszeit machte der Plan aber einen unfertigen Eindruck: Zumindest 14 historische Gebäude fehlten, obwohl die Fassaden dieser Häuser vielfach aufwändig gestaltet und gut erhalten sind, wie die Fotos unten zeigen. Der Verfasser dieser Zeilen hat sich an die Bezirksvorstehung gewandt, um auf die unvollständige Schutzzone hinzuweisen.
Es folgte eine Überarbeitung des Plans. Seit Ende Oktober 2019 ist die neue Schutzzone bekannt: Viele neue Gebäude wurden als schützenswert erklärt und in die Schutzzone aufgenommen. So werden wir die Kaisermühlner Altbauten auch in fernerer Zukunft noch bestaunen dürfen.
Info: Dieser Artikel ist erstmals im Mai 2019 unter dem Titel „Die vergessenen Häuser von Kaisermühlen“ erschienen. Die Aktualisierung erfolgte am 6.11.2019.
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