Bürohaus aus den 1980ern
Neben dem Leonie-Rysanek-Park und etlichen neuen Wohnhäusern erhebt sich ein massiges graues Bürohaus, das bis 2023 von den ÖBB genutzt wurde. Das 1984 errichtete Gebäude nahe dem Donaukanal und in Sichtweite zu den Hochhäusern in Erdberg ist weder für den Denkmalschutz, noch für eine Ortsbild-Schutzzone relevant. Einem Abbruch stünde demnach an sich nichts im Weg.
Modernisierung und neue Fassade
Um Abriss geht es bei dem Gebäude an der Erdberger Lände nicht. Sondern genau um das Gegenteil. Der Bestandsbau wird nämlich nach Plänen des Grazer Architekturbüros Hohensinn umgebaut. So wird …
… das bestehende Gebäude unter nachhaltigen Kriterien renoviert, thermisch saniert und mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Auch Grün- und Freiflächen sind vorgesehen, ebenso E-Ladestationen für Pkw und Fahrräder. Nachhaltigkeitszertifizierungen werden angestrebt. [1]
Geworben wird mit 40% weniger CO² durch Refurbishment statt Abriss und Neubau.[5]
Umweltbundesamt zieht ein
22.000 m² Bürofläche wird das „Enna“ getaufte Gebäude beinhalten. Ein künftiger Mieter ist das Umweltbundesamt, das mit seinen 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 2026 einziehen wird.[2] Das Umweltbundesamt ist eine im Staatsbesitz stehende Institution, die sich „für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zur Sicherung nachhaltiger Lebensbedingungen“ einsetzt und Entscheidungsträger berät.[3] Dass es in ein saniertes Bestandsgebäude einzieht, anstatt in einen Neubau, passt zum Selbstverständnis der Institution.
Investor ist Eigentümer
Das Gebäude wurde 2023 von der deutschen Art-Invest Real Estate gekauft.[4] Dass das Umweltbundesamt in eine Immobilie eines privaten Investors einzieht, kann durchaus kritisch gesehen werden. Die Mieteinnahmen gehen damit nämlich nicht an die Bundesimmobiliengesellschaft, die im Staatseigentum steht und hohe Dividenden an den Staatshaushalt ausschüttet. Nachdem nachhaltige Immobilien in durch den öffentlichen Verkehr gut erreichbaren Lagen in der entsprechenden Größe nicht leicht verfügbar sind, ist die Entscheidung aber nachvollziehbar.
Leichtfertige Abrisse
Vielen noch gar nicht so alten Gebäuden geht es schon nach wenigen Jahrzehnten an den Kragen. Gerade Gebäude aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben es schwer. So werden selbst stadtbildprägende Gebäude wie das Hotel Intercontinental, Komplexe wie das Bezirkszentrum Kagran und im Besitz staatlicher Institutionen stehende Gebäude wie die ehemalige Abendschule der Arbeiterkammer zum Abbruch freigegeben. Nicht einmal 40 Jahre hatten beispielsweise ein Spitalstrakt am Neubaugürtel und ein Bürohaus an der Lassallestraße Bestand.
Ortsbild- und Denkmalschutz, so wichtig sie auch sind, greifen zu kurz. Es braucht auch den Aspekt der Ressourcen bzw. Energie. Dieser Aspekt bleibt bislang bei Fragen von Erhalt vs. Abriss außen vor. Eine Gesetzesänderung ist überfällig.
Gute Sanierung schlägt Abriss/Neubau
Im von der EU finanzierten Forschungsprojekt „CIRCuIT“ wird hervorgestrichen, dass die „Erhaltung von Gebäuden im Allgemeinen zu geringeren Emissionen führt als ein Neubau.“ Selbst eine Sanierung ohne zusätzliche Fassadendämmung könne eine bessere CO²-Bilanz aufweisen als ein Abriss mit anschließendem Neubau. Und weiter:
Die Verlängerung der Lebensdauer eines Gebäudes ist das erste und wichtigste Prinzip der Kreislaufwirtschaft in der gebauten Umwelt, da es zu Kohlenstoffeinsparungen führen kann. (…) Der Bau neuer Gebäude ist für einen großen Teil der Emissionen verantwortlich, die durch die Gewinnung von Rohstoffen, die Verarbeitung zu Produkten, den Transport und den Bau entstehen. Durch den Umbau oder die Renovierung eines bestehenden Gebäudes wird der Abriss vermieden und bereits verarbeitete Ressourcen können länger genutzt werden. Dadurch müssen weniger neue Materialien gewonnen und verarbeitet werden, was die Kohlendioxidemissionen senkt und die Abfallmenge minimiert. [6]
Am Beispiel einer Schule wird deutlich, wie sich Neubau und verschiedene Arten von Sanierung auf den CO²-Ausstoß auswirken (Diagramm unten):
- Eine minimale Sanierung spart kurzfristig zwar am meisten CO², wird aber bei längerem Bestehen des Gebäudes zur schlechtest möglichen Variante.
- Ein Abriss mit anschließendem Neubau aus Beton verursacht kurzfristig und langfristig sehr viele Emissionen.
- Langfristig ist eine umfassende thermische Sanierung die beste Option.
- Selbst eine Sanierung ohne Dämmung der Fassade ist auf lange Sicht emissionsärmer als ein Abriss/Neubau.
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(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen
- [1] Umweltbundesamt feiert 25 Jahre GmbH und neuen Standort (Presseaussendung, 24.10.2024)
- [2] Umweltbundesamt zieht ins Projekt Enna im 3. Bezirk (Der Standard, 23.10.2024)
- [3] umweltbundesamt.at
- [4] Art-Invest Real Estate erwirbt Büroimmobilie an der Erdberger Lände 40-48 in 1030 Wien (Art-Invest Real Estate Management, 1.2.2023)
- [5] www.enna.at
- [6] Circular Construction In Regenerative Cities (CIRCuIT) (Projekt von 2019-2023), S. 1-3 [11]
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