Bedeutsame Belanglosigkeiten: Pflasterbeläge in Europa

Gehsteige, Straßen und Plätze sind die Grundlage des öffentlichen Stadtraums. Sie haben nicht nur eine Funktion, sondern auch eine Form. Die Materialität, Farbe und historischen Bezüge der Bodenbeläge stehen in diesem Artikel im Mittelpunkt. Mit Beispielen aus vielen europäischen Städten.

Dieser Artikel wurde im November 2024 aktualisiert.

Niederlande

Niederländische Städte zeichnen sich durch attraktive öffentliche Räume mit Fokus auf menschengerechte Verkehrsplanung aus. Die freundliche Gestaltung reicht oft bis zum Bodenbelag, der in seinen verschiedenen Ausformungen hohe ästhetische und materielle Qualität und Rücksicht auf Barrierefreiheit aufweist.

Den Haag

Auf sämtlichen Gehsteigen finden sich Pflasterbeläge, häufig aus Klinker (Backstein). Gängig sind auch Stein und Beton. Etliche Fahrbahnen sind gepflastert, größere Straßen asphaltiert. Die Beläge sind weitgehend glatt und barrierefrei.

Utrecht

In Utrecht gibt es fast durchgehend Straßenpflaster. Klinker ist häufig, Asphalt eher auf höherrangigen Straßen gängig.

Hochwertige Bodenbeläge sind nicht auf die Altstadt und deren Umfeld beschränkt. Auch im Neubaugebiet Leidsche Rijn sind vielfältige Stein- und Klinkerbeläge gängig (Fotos unten). Asphalt findet sich auf Kfz-Fahrbahnen und Radwegen.

Delft

In der alten Universitätsstadt Delft finden sich die typischen roten Beläge aus Klinker. Auch im Stadtentwicklungsgebiet Nieuw Delft sind Steinbeläge die Norm.

Wassenaar

Eine Kleinstadt nahe Den Haag, in der Straßenpflaster häufig zu sehen ist.

Alkmaar

Leiden

In Leiden sind teils auch die Radwege gepflastert:

Italien

Alleine aus ihrer langen Geschichte heraus haben viele italienische (Alt-)Städte gepflasterte Oberflächen beibehalten. Entsprechend hochwertig ist die Ästhetik. Es finden sich unterschiedlichste Lösungen, die aber bei weitem nicht alle eben und praktikabel sind.

Treviso

Im Zentrum der nahe Venedig gelegenen Stadt sind die meisten Straßen und Plätze gepflastert.

Mailand

Im Gegensatz zu anderen italienischen Städten ist in der Wirtschaftsmetropole Mailand Asphalt der gängigste Belag, auch für Gehsteige. In Stadtzentrum, Fußgängerzonen, neu gestalteten Straßen und Neubaugebieten sind hingegen glatte Steinbeläge verlegt.

Udine

Das Zentrum von Udine ist durchgehend gepflastert.

Padua

In Padua sind die meisten Plätze, Gehsteige und Seitengassen gepflastert.

Vicenza

In der Altstadt von Vicenza kommen verschiedenartige Pflasterbeläge aus Stein zum Einsatz, die ein hochwertiges Erscheinungsbild schaffen. Die Stadt ist bekannt für die Bauten des Renaissance-Architekten Andrea Palladio.

Bergamo

In der alten Stadt nahe Mailand finden sich zahlreiche neuere und ältere Steinbeläge.

Bologna

Die Altstadt von Bologna ist weitgehend gepflastert, an einigen Stellen auch die Fahrbahnen.

Verona

In Verona sind die meisten öffentliche Räume stark vom ruhenden Verkehr (Parkplätze) geprägt, viele Gehsteige sind schmal. In der Altstadt gibt es eine Kfz-verkehrsbeschränkte Zone (ZTL) und einige Fußgängerzonen.

Die Materialität von Gehsteigen und Fahrbahnen schwankt, alles von Asphalt bis zu traditionellen Steinbelägen ist zu finden. Mitunter kann es auch etwas holprig werden.

Tschechien

Prag

In Prag fallen aufwendige Beläge mit Mustern aus verschiedenfarbigen Steinen auf.

Brünn

Im Zentrum von Tschechiens zweitgrößter Stadt sind verschiedene Steinbeläge zu finden.

Olmütz

Die Gehsteige und Plätze im Zentrum der 100.000 Einwohner großen Stadt Olmütz (Olomouc) sind durchgehend gepflastert.

Znaim

In der Kleinstadt Znojmo nahe der niederösterreichischen Grenze finden sich Steinbeläge unterschiedlicher Art.

Mikulov

Eine Kleinstadt mit herausragend erhaltener und gepflegter Altstadt.

Belgien

Gent

Die meisten Gehsteige und viele Straßen im Zentrum der flämischen Stadt sind gepflastert. In den Fußgängerzonen sind glatte Beläge zu finden. Details über den öffentlichen Raum in Gent und dessen Veränderung über die Zeit gibt es hier.

Leuven

Eine rund 100.000-Einwohner große Stadt in Flandern, nahe Brüssel.

Brüssel

Die Gehsteige in Belgiens Hauptstadt sind gepflastert.

Spanien

Madrid

In Madrid ist Asphalt auf Gehsteigen häufig, auf prominenten Straßen und in Fußgängerzonen ist Pflaster aus  Natursteinen verlegt.

Valencia

Fast alle Gehsteige der Mittelmeerstadt sind gepflastert, meist mit glatten Belägen.

Portugal

Das Land ist bekannt für seine teils aufwendig gestalteten Beläge mit kunstvollen Mustern. Dafür kommen kleine würfelförmige Steine zum Einsatz.

Slowenien

Ljubljana

Das Zentrum der slowenischen Hauptstadt hat in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Wandel erlebt (siehe Artikel). Viele Straßen und Plätze wurde zu Fußgängerzonen, der motorisierte Individualverkehr wurde zurückgedrängt. Die neu geschaffenen öffentlichen Räume zeichnen sich durch gepflasterte Flächen aus unterschiedlichen Materialien aus. Auf einigen Straßen finden sich Kombinationen aus glatten, barrierefreien Belägen und einem Pflaster in Schuppenform in der Mitte. Der Standardbelag auf Gehsteigen in Ljubljana ist aber Asphalt.

Piran

In der kleinen Küstenstadt sind das italienische Erbe und die Nähe zu Venedig deutlich zu spüren. In der Altstadt finden sich Beläge mit großen Steinen, wie sie auch in Italien gängig sind.

Polen

Die Fotos unten zeigen einige im Zentrum von Breslau (Wrocław) übliche Beläge.

Frankreich

Pflasterflächen sind in französischen Städten weithin gängig.

Dänemark

In Kopenhagen sind viele Bodenbeläge als Pflaster ausgeführt, besonders kunstvoll im Zentrum.

Österreich

Wien

Historische Beläge oder diesen nachempfundene sind an einigen Stellen noch zu finden, vor allem im und um das historische Zentrum.

Werden heutzutage Straßen neu gepflastert, handelt es sich meist um Fußgänger- oder Begegnungszonen. Dabei kommen barrierefreie glatte Pflasterbeläge zum Einsatz (siehe Fotos unten). Die Materialität schwankt zwischen Betonstein und Naturstein, es finden sich verschiedene Farben.

Andere Städte in Österreich

Die durchgängige Pflasterung von Gehsteigen und Plätzen – wie etwa in den Niederlanden – ist in Österreich nicht übliche. Zumindest in vielen Stadtzentren gibt es aber gepflasterte Flächen.

Von der Bedeutung des Belags

Der Bodenbelag in all seine Ausformungen ist eine Mikroarchitektur, die der Architekt und Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani zu den „bedeutsamen Belanglosigkeiten“ zählt:

Jedes kleine Objekt des Stadtraums ist ein Ort, wo konkrete Bedürfnisse zu einer materialisierten Form finden. (…) [W]o Leben und Gestaltung zusammenkommen, im Idealfall Leben und Schönheit. Dies ist aber nichts anderes als das, was die Stadt insgesamt ist; und die Bedingungen, die ihre kleinen Objekte formen, formen auch sie. Tatsächlich erzählen die kleinen Objekte des Stadtraums nicht nur die eigene, sondern auch die Geschichte ihrer Stadt.

Dass der Belag heute oft aus Asphalt besteht, hat seine Gründe:

Die Vorstellung der autogerechten Stadt, die in den zwanziger Jahren aufkam und in den sechziger Urstände feierte, sah glatte, gut befahrbare und unterhaltsarme Straßen vor: Asphaltstraßen eben. Das neue Material eroberte den Stadtboden und machte ihn ebenso gleichförmig wie ausdruckslos.

Lampugnani über Asphaltbeläge auf Gehsteigen:

Gerade die Befreiung von der funktionalen Notwendigkeit, als Zufluchtsort zu dienen, ermöglicht dem zeitgenössischen Bürgersteig die Konzentration auf die Anmutung des Schutzes. Und eröffnet ihm neue und glückliche Möglichkeiten einer anspruchsvollen Gestaltung, die den grauschwarzen Asphalt zugunsten von freundlichen, lebendigen, bereits in sich attraktiven Materialien verdrängt.

Aus einer Sitzung zum Fachkonzept öffentlicher Raum in Wien:

Helle, gepflasterte Oberflächen tragen nicht nur zu einer höheren Gestalt- und damit Aufenthaltsqualität bei, sie sind auch aus ökologischer Sicht zu bevorzugen. Generell gilt, helle Flächen speichern weniger Wärme als dunkle Flächen. Studien zeigen, dass Wärmeabstrahlung und CO2-Fußabdruck von Beton- oder Natursteinpflaster weitaus geringer sind als von Asphaltflächen. Zudem verringern gepflasterte Oberflächen die Eisbildung im Winter. Auch haben sie eine längere Haltbarkeit. Ein nachhaltiger Umgang mit Niederschlagswasser und damit einhergehender natürlicher Verdunstung sind für das Kleinklima ebenfalls vorteilhaft. Daher sind wasserdurchlässige Befestigungen gegenüber versiegelten Flächen zu bevorzugen. Der Verdunstungsgrad von bepflanzten Flächen (Grünflächen) ist am höchsten.

Fotos

Quellen

  • Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum (Vittorio Magnago Lampugnani, 2019)
  • STEP 2025. Fachkonzept öffentlicher Raum. Fassung für die 52. STEK-Sitzung am 28.11.2017, S. 37 (8.11.2017)

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