Asphalthauptstadt Wien

Asphalt ist in Wien allgegenwärtig. Während andere Städte für Gehsteige und Plätze teils auf Pflastersteine oder Platten setzen, wird in Wien meist asphaltiert. Dieser Artikel zeigt Fotos aus vielen Bezirken.

Dieser Artikel wurde zuletzt im August 2024 mit Fotos ergänzt.

Gehsteig, Sockel eines Gebäudes, Schaltkasten, Asphaltbelag
Auf den meisten Gehsteigen in Wien ist Asphalt verlegt. Nach Bauarbeiten entsteht ein Nebeneinander verschiedener Grauschattierungen. (Foto: Am Heumarkt im 3. Bezirk, 2023)

Asphalt auf historischen Plätzen

Auf vielen größeren und kleineren Plätzen und vor etlichen historischen Bauwerken ist in Wien Asphalt zu finden. Der Kontrast Fassaden und Bodenbelag ist mitunter beachtlich.

Asphalt auf Gehsteigen im Stadtzentrum

Innerhalb und außerhalb der Ringstraße – und auf der Ringstraße selbst – ist Asphalt der Standardbelag für Gehsteige. Nur in einigen kleinen alten Gassen nahe dem Stephansdom und in den großen Fußgängerzonen – Kärntner Straße, Graben usw. – sind Steinbeläge zu finden.

Asphalt in Gründerzeitvierteln

Weite Teils Wiens sind von der Architektur und der Struktur (Straßenraster) der Gründerzeit geprägt, die etwa von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis vor dem Ersten Weltkrieg angesetzt wird. Während die aufwendigen Fassaden der Gründerzeit den Straßen ein oft imposantes Erscheinungsbild verleihen, sieht es im öffentlichen Raum zum Teil weniger einladend aus: fehlende Bäume, viele Parkplätze und ein mäßig attraktiver öffentlicher Raum sind eher die Regel als die Ausnahme. Die massenweise Verwendung von Asphaltbelägen komplettiert das Erscheinungsbild und trägt zur Erhitzung dieser ohnehin schon sehr dichten Stadtviertel bei. In manchen Straßen zieht sich die Asphaltdecke durch – Gehsteige, Parkplätze und Fahrbahn, von einer Häuserfront bis zu gegenüberliegenden. Kein Quadratmeter, der nicht asphaltiert wäre.

Asphalt bei Neugestaltungen

Wird der öffentliche Raum umgestaltet oder werden Leitungen im Untergrund erneuert, bietet das immer die Chance, zusammen mit mehr Begrünung auch Asphalt durch einen andere Beläge zu ersetzen. Bei vielen Neugestaltungen wird jedoch weiterhin Asphalt verlegt. Eine systematische Ersetzung von Asphaltbelägen durch einheitliche Pflasterbeläge ist nicht zu bemerken. 2020 verkündete die Stadtregierung zwar „Raus aus dem Asphalt“, trotzdem werden Gehsteige und Parkplätze nach wie vor asphaltiert. Gussasphalt ist auch immer noch in der Gehsteigverordnung als Belag zulässig. Wenn aber doch gepflastert wird, dann häufig mit Betonsteinen, nicht glatten Natursteinen.

Asphalt in Neubaugebieten

Auch bei Neubauarealen und Stadtentwicklungsgebieten kommt Asphalt als Bodenbelag zum Einsatz. Gepflasterte Flächen finden sich ebenso, aber im Vergleich noch eher vereinzelt.

Grauer Fleckerlteppich

In Städten ist der Raum knapp – nicht nur oberirdisch, sondern auch darunter. Unterhalb der Straßen liegt die technische Infrastruktur: Rohre für Wasser, Gas und Fernwärme, elektrische Leitungen, Glasfaserkabel, Leitungen von Wärmepumpen und das Kanalsystem. Daneben noch U-Bahn-Tunnel und die dafür nötige Technik. Kein Wunder also, wenn regelmäßig aufgegraben werden muss, um die Infrastruktur zu erneuern. Die sogenannten Einbauten – also die Rohre und Leitungen – sind auch ein wesentlicher Grund, warum die Pflanzung von Bäumen oft zur Herausforderung wird oder nur unter erheblichem finanziellen Mehraufwand möglich ist.

Baumaßnahmen im Untergrund bleiben auch an der Oberfläche teils lange sichtbar. Bei Bauarbeiten muss der Bodenbelag aufgebrochen und danach wieder verschlossen werden. So wird die Asphaltdecke allmählich zu einem Flickenteppich. Bei Pflasterungen ist das einfacher: Steine werden nach erfolgten Bauarbeiten wieder eingesetzt, im besten Fall ist danach kaum ein Unterschied erkennbar.

Eine Wiener Tradition

Die bevorzugte Verlegung von Asphalt auf Gehsteigen und Plätzen ist keine rezente Entwicklung, sondern bereits seit vielen Jahrzehnten gängig. Bei der Betrachtung historischer Aufnahmen fällt auf, dass etwa ab den 1930ern vermehrt – aber keineswegs überall – auf Asphalt gesetzt wird. Einige ehemals asphaltierte Straßen wurden indes auch schon wieder gepflastert (z. B. Kärntner Straße, Graben, Stephansplatz).

Asphaltierte Normalität

Gehsteige und Parkplätze, Radwege und Fahrbahnen, historische Plätze und Neubauviertel – Asphalt ist in Wien so alltäglich, dass er fast nicht mehr auffällt. Das erzeugt ein ganz bestimmtes Erscheinungsbild, dass erst oft erst dann so richtig ins Auge fällt, wenn gepflasterte (Alt-)Städte zum Vergleich herangezogen werden. Der Bodenbelag in all seine Ausformungen ist auch eine Mikroarchitektur, die der Architekt und Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani zu den „bedeutsamen Belanglosigkeiten“ zählt. Dass der Belag heute oft aus Asphalt besteht, hat seine Gründe:

Die Vorstellung der autogerechten Stadt, die in den zwanziger Jahren aufkam und in den sechziger Urstände feierte, sah glatte, gut befahrbare und unterhaltsarme Straßen vor: Asphaltstraßen eben. Das neue Material eroberte den Stadtboden und machte ihn ebenso gleichförmig wie ausdruckslos. [1]

Lampugnani über Asphaltbeläge auf Gehsteigen:

Gerade die Befreiung von der funktionalen Notwendigkeit, als Zufluchtsort zu dienen, ermöglicht dem zeitgenössischen Bürgersteig die Konzentration auf die Anmutung des Schutzes. Und eröffnet ihm neue und glückliche Möglichkeiten einer anspruchsvollen Gestaltung, die den grauschwarzen Asphalt zugunsten von freundlichen, lebendigen, bereits in sich attraktiven Materialien verdrängt. [1]

Bei der Frage des Bodenbelags geht es nicht bloß um ästhetische Fragen. Asphalt trägt auch zur Erhitzung bei, da Asphalt die Wärme besonders gut speichert („urbane Hitzeinseln“). Zudem ist Asphalt undurchlässig, sodass Straßenbäume wenig Wasser bekommen, wenn Regen direkt in die Kanalisation fließt anstatt zu den Wurzeln durchzusickern. Jan Carmeliet von der ETH Zürich:

[Asphaltierte] Flächen sind einfach zu unterhalten. Asphalt hat jedoch auch einen gewichtigen Nachteil: Wegen seiner dunklen Farbe absorbiert er viel Wärme. Wünschenswert wären hellere und poröse Beläge, die bei Regen Wasser aufnehmen oder bewässert werden können. In einem meiner Forschungsprojekte beschäftige ich mich mit der Entwicklung solcher Beläge. [2]

Aus einer Sitzung zum Fachkonzept öffentlicher Raum:

Helle, gepflasterte Oberflächen tragen nicht nur zu einer höheren Gestalt- und damit Aufenthaltsqualität bei, sie sind auch aus ökologischer Sicht zu bevorzugen. Generell gilt, helle Flächen speichern weniger Wärme als dunkle Flächen. Studien zeigen, dass Wärmeabstrahlung und CO2-Fußabdruck von Beton- oder Natursteinpflaster weitaus geringer sind als von Asphaltflächen. Zudem verringern gepflasterte Oberflächen die Eisbildung im Winter. Auch haben sie eine längere Haltbarkeit. Ein nachhaltiger Umgang mit Niederschlagswasser und damit einhergehender natürlicher Verdunstung sind für das Kleinklima ebenfalls vorteilhaft. Daher sind wasserdurchlässige Befestigungen gegenüber versiegelten Flächen zu bevorzugen. Der Verdunstungsgrad von bepflanzten Flächen (Grünflächen) ist am höchsten. [3]

Asphalt ist aber auch sehr praktisch: Er ist eben und barrierefrei, vergleichsweise billig herzustellen und ist auf Fahrbahnen viel leiser als Pflastersteine. Gerade für Rollstuhlfahrer, Personen mit Kinderwägen und für alte Menschen ist eine möglichst ebene Oberfläche wichtig. Das sind wohl auch mit die Gründe, warum Wien seit Jahrzehnten auf Asphalt setzt.

Wohnhaus, Hotel, Bürohaus, Erste Campus, Blick zur Mommsengasse
Asphaltfläche im Quartier Belvedere, nahe Hauptbahnhof (Foto: 2022)

Nicht überall ist Asphalt so verbreitet und auch in Wien gibt es viele Beispiele für andere Beläge. Die Alternative zu Asphalt muss nicht holprige Kopfsteinpflasterung sein. Vielerorts gängig sind glatte Pflasterungen bzw. Platten aus Beton, Klinker (Backstein) oder Naturstein. Asphalt kann auf Fahrbahnen für Kfz und Fahrräder beschränkt bleiben. In vielen Städten Europas wird das teilweise oder flächendeckend so gemacht (Vergleiche siehe hier, Beispiele für Pflasterbeläge sind hier).

links Asphaltbelag, rechts Klinkerbelag
links: Lothringerstraße/Beethovenplatz (1. Bezirk), 2023; rechts: Aert van der Goesstraat (Den Haag), 2023

Kontakte zu Stadt & Politik

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).
+43 1 4000 81341
 
Der amtsführendenden Stadträtin untersteht die Geschäftsgruppe Innovation, Stadtplanung und Mobilität. Diese ist u. a. zuständig für die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne (Innen-Südwest, Nordost), Stadtentwicklung und Stadtplanung und Architektur und Stadtgestaltung (einschließlich der Festsetzung von Schutzzonen gegen Hausabrisse).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

  • [1] Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum (Vittorio Magnago Lampugnani, 2019)
  • [2] Asphalt hat einen gewichtigen Nachteil (ETH Zürich, 21.7.2017)
  • [3] STEP 2025. Fachkonzept öffentlicher Raum. Fassung für die 52. STEK-Sitzung am 28.11.2017, S. 37 (8.11.2017)
  • Alle nicht gekennzeichneten Fotos sind © Georg Scherer/wienschauen.at

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

Wenn Sie mir etwas mitteilen möchten, können Sie mich per E-Mail und Formular erreichen. WienSchauen hat auch einen Newsletter:

Nach der Anmeldung erhalten Sie ein Bestätigungsmail.