Am Hof ist einer der ältesten Plätze Wiens. Trotz der einzigartigen Lage zwischen Graben und Freyung gehört ein beträchtlicher Teil des Platzes dem motorisierten Individualverkehr. Könnte der historische Platz nicht viel attraktiver gestaltet sein – und damit auch für mehr Menschen nutzbar?
Stephansplatz, Graben und Kärntnerstraße – aber Am Hof? Auf diesen Platz wird sich nur verirren, wer durchgehen muss. Das hat maßgeblich mit der Verteilung des öffentlichen Raums zu tun, denn so, wie der Platz derzeit aufgeteilt ist, kann er sich nicht entwickeln. Einige Eckpunkte:
- Viel Platz für Pkw: Über 40% des Platzes sind für Fahrbahnen und Parkplätze reserviert.
- Breite Straßen: Die Fahrbahnen sind zusammen mit den Parkplätzen verhältnismäßig breit und trennen die Mitte des Platzes von den Gebäuden.
- Viele Parkplätze: Obwohl es eine große Tiefgarage gibt, sind Parkplätze an der Oberfläche eingerichtet.
- Kein zusammenhängender Platz: Durch die um den Platz laufenden Straßen wirkt Am Hof nicht wie ein einheitlicher Platz. Ein belebter öffentlicher Raum mit Geschäften und Lokalen kann so nicht entstehen.
- Keine Bäume: Auf dem Platz steht kein einziger Baum. Hat das vielleicht auch mit der Tiefgarage unterhalb des Platzes zu tun?
- Attraktive Gebäude: Am Hof haben sich viele historische Gebäude erhalten.
- Hochwertige Pflasterung: Der Platz ist über weite Teilen gepflastert. Das macht einen hochwertigen Eindruck und ist auch mikroklimatisch vorteilhaft (weniger Hitze). Teilweise gibt es aber auch Asphaltflächen.
- Schöne Straßenlaternen: Am Hof finden sich etliche schöne Straßenlaternen (original aus der Zeit um 1900 oder nachgebaut)
Hier folgt eine Übersicht über die Nutzung des Platzes. Ganz unten sind historische Fotos und ein paar geschichtliche Infos.
Am Hof und die Autos
Viele Parkplätze
Am Hof ist auch ein Parkplatz. Auf allen vier Seiten des Platzes dürfen Fahrzeuge stehen, teilweise auch schräg, was besonders viel Raum einnimmt. Dass der Platz abgesehen von temporär stattfindenden Märkten und dergleichen nicht sehr lebendig ist, verwundert nicht.
Am Luftbild ist der „zerteilte Platz“ gut zu sehen:
Parkplätze trotz Garage
Seit zumindest den 1970ern gibt es hier eine große Garage. Zugleich sind auf der Oberfläche Parkplätze eingerichtet. Die Garageneinfahrt befindet sich mitten auf dem historisch sensiblen Platz. Besonders im Vergleich zu den historischen Fotoaufnahmen (siehe weiter unten) wird klar, wie stark dieser Eingriff ist.
Breite Asphaltfahrbahn
Der größte Teil des Platzes ist gepflastert. Aber auch der in Wien allgegenwärtige Asphalt ist nicht weit. Eine breite Asphaltfahrbahn verläuft auf einer Seite des Platzes.
Wer hat Platz?
Die Flächen für Fußgänger finden sich an den Rändern und in der Mitte. Die Straßen ziehen sich als Band um den Platz.
44% der Platzfläche sind in erster Linie für Kfz reserviert (können aber zum Teil auch von Radfahrern genutzt werden). Was am Stadtrand nicht weiter auffallen würde, ist in zentralen Lagen problematischer. Im vorliegenden Fall ist die Prozentangabe zudem weniger aussagekräftig als die konkrete Anordnung der Verkehrsflächen.
Die Plätze im Stadtzentrum sind nur bedingt vergleichbar. Einfacher wird es, wenn nur rundum bebaute Plätze bzw. platzartige Straßen innerhalb der Ringstraße berücksichtigt werden. Am Judenplatz, Graben und Stephansplatz steht Fußgängern im Verhältnis am meisten Platz zur Verfügung. Am schlechtesten schneiden der Hohe Markt und Am Hof ab.
So könnte eine Lösung aussehen
Eines sind die europäischen Stadtplätze nicht: Parkplätze. Für Plätze, an denen viele Menschen unterwegs sind und wo auch die Bevölkerungsdichte hoch ist, ist es sinnvoll, den Kfz-Verkehr möglichst zu reduzieren. Auch der Stephansplatz war jahrzehntelang nicht viel mehr als eine Autostraße. Davon ist heute nichts mehr zu sehen.
Am Hof ist es komplizierter: Die Feuerwehr, die Garage und das Hotel brauchen eine dauerhafte Zufahrt. Ein gänzlich autofreier Platz, wie der Judenplatz, wird also nicht möglich sein. Eine Lösung könnte daher folgendermaßen aussehen:
- Fußgängerzone für den größten Teil des Platzes (mit gestatteter Zufahrt für Anrainer und Lieferanten)
- Zufahrt zu Garage, Feuerwehr und Hotel durch eine vom übrigen Platz ggf. durch Poller abgetrennte Fahrbahn (um illegales Parken zu verhindern)
- Entfernung der Parkplätze, Schaffung von Haltezonen
- Einrichten von Sitzgelegenheiten (ohne Konsumzwang)
- Pflasterung der Fahrbahn (der Belag heizt sich bei Sonneneinstrahlung weniger stark auf als Asphalt)
- Pflanzung von möglichst vielen Bäumen (sinnvoller als größere Rasenflächen, die hier ohnehin zertreten würden)
- Einrichtung eines kleinen dauerhaften Lebensmittelmarkts, der sich an die lokale Bevölkerung richtet (und keine Marktstände/Märkte für touristische Zwecke)
Als Vorbilder hinsichtlich Verkehr und Bodenbelag – aber nicht Begrünung – können zwei zentrale Plätze in Padua und Treviso (Norditalien) herangezogen werden (Fotos unten). Beide sind nicht komplett autofrei. Aber: Parkplätze gibt es kaum; die Durchfahrt mit dem Auto ist am einem bzw. zwei Rändern möglich; der Bodenbelags ist so gewählt, dass kein großer Unterschied zur Fußgängerzone auffällt. So wirken die Plätze dennoch einheitlich und schön. Verkehrsberuhigung funktioniert.
Am Hof: Ein Platz mit Geschichte
Am Hof ist einer der ältesten Plätze Wiens. In der Antike grenzte die Fläche des heutigen Platzes an ein römisches Legionslager. Im 12. Jahrhundert errichteten die Babenberger (ein Adelsgeschlecht) an dieser Stelle eine Residenz, die von der übrigen Stadt getrennt lag. Für die folgenden Jahrhunderte sind zahlreiche gewerbliche Nutzungen dokumentiert. Am Hof fungierte als Markt, u. a. für Kleidung, Fische, Obst, Gemüse und Backwaren.
19. Jahrhundert
Das wohl älteste erhaltene Bauwerk ist die „Kirche zu den neun Chören der Engel“, ein im Kern gotisches Bauwerk (14. Jahrhundert). Die eindrucksvolle Fassade ist barock (17. Jahrhundert). Das Innere ist barockisiert, was eine heitere Mischung aus gotischen Spitzbögen und reichem Dekor ergibt.
Auf dem Foto unten steht neben der Kirche noch das Radetzkydenkmal, das an den gleichnamigen Feldmarschall erinnert. Es befindet sich heute am Stubenring.
Die Häuser auf dem Foto unten sind heute nicht erhalten. Sie wurden um 1900 abgebrochen. Links ist das ehemalige Kriegsministerium, ursprünglich ein Jesuitenkolleg aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Gebäudekomplex durch ein prachtvolles Bankgebäude ersetzt (heute ein Hotel).
Auf den nächsten Aufnahmen sind jeweils links die heutige Feuerwache und das Zeughaus zu sehen. Im Zweiten Weltkrieg wurden beide Gebäude schwer beschädigt. Anstelle der kleinen Gebäude in der Mitte steht seit 1883 der Ledererhof.
Nicht erhalten ist das prachtvolle Gebäude der Creditanstalt, das sich an der Ecke Heidenschuß/Freyung befand. 1858-1860 im Stil der Neorenaissance errichtet wurde es 1944 durch Bomben schwer beschädigt und später abgetragen. In den 1950ern erfolgte ein Neubau.
Frühes 20. Jahrhundert
1913 wurde an der Ecke zur Bognergasse die Österreichische Länderbank erbaut, heute das Hotel Park Hyatt Vienna (rechts neben der Kirche am Foto unten). Im selben Jahr war auch der lange Neubau zwischen Naglergasse und Am Hof abgeschlossen – die „Zentralbank Deutscher Sparkassen“. Auf dieser Aufnahme ist auch zu sehen, wie groß der Platz eigentlich ist und wie heute die Garageneinfahrt dominiert.
Die nächsten Fotos zeigen die Feuerwache. Das Haus hatte vor dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ein Regelgeschoß weniger.
Am Foto unten ist die Creditanstalt (links) wenige Jahre vor der Zerstörung zu sehen.
Die Kirche und Häuser um die Drahtgasse (Richtung Judenplatz) haben sich bis heute kaum verändert.
Den Markt gibt es in dieser Form schon lange nicht mehr:
Die Nachkriegszeit ist gefürchtet, wenn es um den Umgang mit historischen Fassaden geht. Aber wie die nächsten Aufnahmen zeigen, wurde Fassadenschmuck vereinzelt auch früher schon demoliert. So trug der Ledererhof noch im frühen 20. Jahrhundert seine Originalfassade aus den 1880er-Jahren. Um 1934 kam es zu einem destruktiven Umbau. Um 1940 war von der Originalfassade nicht mehr viel zu sehen. Erst bei einer Renovierung in den 1990ern erhielt das Gebäude wieder einen Teil seines ursprünglichen Erscheinungsbildes zurück.
2. Republik
Wo noch um 1900 Fußgänger, Fuhrwerke und Markstände Platz fanden, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Parkplätze eingerichtet.
Die vom Krieg zerstörten und beschädigten Häuser (Feuerwehr, ehemaliges Zeughaus), die auf dem nächsten Foto zu sehen sind, wurden in den 1950ern wiederaufgebaut.
Nach Abtragung der kriegszerstörten Ruine der Creditanstalt wurde 1955 die Zentrale der Verbundgesellschaft (ein Elektrizitätsunternehmen) in einem neuen Gebäude eröffnet. Die konservative – und für den Platz passende – Gestaltung ist bis heute unverändert erhalten (Foto unten).
Es sind gerade die Details, die dieses Gebäude auszeichnen: Dachform und Dachfenster orientieren sich an der älteren Bebauung der Umgebung; die Fenster sind durch Faschen (Umrandungen) akzentuiert; das Erdgeschoß ist durch große Schaufenster hervorgehoben; der erste Stock ist eine Art „Beletage“ mit großen Fenstern und Gesims darüber; das markante Gesims unter dem Dach ist an die Altbauten der Umgebung angelehnt.
Auf der Luftaufnahme unten sind die Zerstörungen des Krieges schon beseitigt. Nur auf dem Platz selbst laufen noch Bauarbeiten.
Der Umgang mit dem öffentlichen Raum ruft nicht nur heutzutage Kritiker auf den Plan. Schon 1973 notierte ein Mitarbeiter des US-amerikanischen Umweltministeriums zu seinen Fotos:
Einer von Wiens großen Plätzen, Am Hof, ist nun durch eine Tankstelle verunstaltet. Wiens Straßen sind [durch Pkw] verstopft, 350.000 Fahrzeuge verschmutzen die Luft.
Seltene Straßenlaterne
Der öffentliche Raum lebt von interessanten Details. Als „bedeutsame Belanglosigkeiten“ bezeichnet der italienische Architekt Vittorio Lampugnani die kleinen Dinge im Straßenraum: Kioske, Mistkübel, Kanaldeckel, Brunnen, Baumscheiben, Poller, Stadtmöbeln, Trottoir und Straßenlaternen.
Wien war in der Gestaltung des öffentlichen Raums noch um 1900 führend. Auf attraktive Straßen und Plätze wurde viel Wert gelegt. Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Vorgaben vonseiten der Politik und Behörden fehlen, der Sinn für zeitlos gute Stadtgestaltung ist bei vielen Architekten und Planern verlorengegangen.
Aber einige Erinnerungen an die Jahrhundertwende haben sich erhalten, auch Am Hof. An der Ecke zur Bognergasse steht eine alte oder originalgetreu nachgebaute Straßenlaterne. Solche Laternen gab es in Wien im frühen 20. Jahrhundert auf vielen Plätzen und Straßen (Beispiele: Praterstraße, Naschmarkt, Landstraßer Hauptstraße, Mariahilfer Straße). Sie wurden fast alle demontiert und durch unattraktive Modelle ersetzt. Bis heute ist es nicht gelungen, einen neuen einheitlichen Standard für qualitativ und ästhetisch hochwertige Straßenbeleuchtung einzuführen. Das verweist auch auf den geringen Wert, der der Gestaltung des öffentlichen Raums entgegengebracht wird.
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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.
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- FPÖ: ombudsstelle@fpoe-wien.at, Tel. +43 1 4000 81797
(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen, Fotos
- Am Hof im Wien-Geschichte-Wiki
- Kirche am Hof (2015): Bwag, Wien – Kirche am Hof, innen, CC BY-SA 4.0
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