Die Bösendorfer-Fabrik war ein Stück Altwiener Geschichte. Seit dem Abriss vor einigen Jahren steht ein banaler Wohnblock mitten im wunderschön erhaltenen Gründerzeitensemble. Das Beispiel zeigt: Freier Markt und unregulierte Preise führen nicht automatisch zu ansprechender Architektur. Und ein Bisschen Fassadenbegrünung hilft wenig gegen den Mangel an Bäumen und Grünflächen in der Stadt.
Historische Klavierfabrik
Bösendorfer und Wien gehör(t)en zusammen. Die Konzertflügel des weltbekannten Klavierbauers haben nicht nur Musikverein und Konzerthaus, sondern zahlreiche Konzertsäle in der ganzen Welt erobert. Gegründet wurde das Unternehmen 1828 von Ignaz Bösendorfer, der bereits nach wenigen Jahren den Titel „k.k.Hof-Fortepianomacher“ führen durfte und dessen Firma später sogar zum kaiserlichen Kammerlieferanten aufstieg. 1870 übersiedelte die Werkstatt in das Fabrikgebäude in die Graf-Starhemberg-Gasse – ein um 1720 erbautes Gebäude, das zu den ältesten Häusern des 4. Bezirks zählte.
Hundertvierzig Jahre lang wurden hinter den schlichten Mauern aus der Spätbiedermeierzeit Spitzeninstrumente gebaut und Konzerte im hauseigenen Saal veranstaltet. Mit dem Aufkauf durch Yamaha und der Verlegung der Fertigung nach Wiener Neustadt, verlor die alte Fabrik ab den 1970ern immer mehr an Bedeutung. 2010 wurde sie geschlossen.
Kein Denkmalschutz für historischen Konzertsaal
War die alte Fabrik ein schützenswertes Denkmal oder bloß ein wenig interessanter Zweckbau? Diese Frage stellte sich auch das Bundesdenkmalamt. „Das Objekt selbst hat keine Denkmalqualität“, sagte etwa die damalige BDA-Präsidentin Barbara Neubauer. Man wolle sich auf wirklich schützenswerte Objekte konzentrieren.
Trotzdem liefen Bemühungen, den straßenseitigen Trakt unter Schutz zustellen – vergebens, denn die Besitzerinnen der Liegenschaft gingen in Berufung. Der Bescheid wurde schließlich vom Ministerium aufgehoben, woran auch das stark limitierte Denkmalschutzgesetz seinen Anteil haben dürfte. Somit entfiel auch der Schutz für den alten Konzertsaal und die Gewölbe im Inneren (Fotos unten), von denen heute nichts mehr übrig ist.
Fehlende Schutzzone besiegelt Abriss
Nicht jedes alte Gebäude ist ein Denkmal. Trotzdem sind alte Gebäude im Sinne eines Ensembles oft erhaltenswerte Kulturgüter. Um die gewachsene Stadt und ihre gebaute Geschichte umfassender zu bewahren, gibt es seit langem Schutzzonen. Für diese Schutzzonen ist die Stadt Wien zuständig.
Anders als im 1. Bezirk, der vollständig erfasst ist, weist die Schutzzone im 4. Bezirk große Lücken auf. „Seit über 15 Jahren gibt es einen Grundlagenplan Schutzzonenerweiterungen. Auch das Areal rund um die Bösendorfer-Fabrik wurde damals als schutzzonenwürdig erkannt. Geschehen ist – wieder einmal – nichts“, kritisierte die Initiative Denkmalschutz. Die fehlenden Schutzzonen haben letztlich nicht nur zum Abbruch der Bösendorfer-Fabrik beigetragen, sondern auch zum Verlust des alten „Sperl-Hauses“ und zweier Häuser am Gürtel. Ein umfassenderer gesetzlicher Schutz historischer Gebäude gilt in Wien erst seit Sommer 2018.
Banaler Neubau vor Gründerzeitkulisse
2012 kamen die Abrissbagger und machten mit den alten Gemäuern kurzen Prozess. Der Nachfolger ist ein Wohnhaus mit 80 freifinanzierten Miet- und Eigentumswohnungen. Geht es nach den Beschreibungen der planenden Architekten, müsste es sich um einen spektakulären Neubau handeln:
„Der Wohnbau in der Graf-Starhemberg-Gasse 14 setzt sich auf subtile Weise mit den Themen der Gründerzeit auseinander und stellt ein gelungenes Beispiel für einen neuen Impuls in der Bestandsstadt dar. Der Neubau als eine Art Implantat im „Wiener Block-Verband“ tritt deutlich mit seinem Umfeld in Beziehung.“
Vor Ort macht sich eher Ernüchterung breit. Die Fenster erinnern in ihrer Größe und Form eher an durchschnittliche Wohnhäuser der 1980er, die Loggien an Plattenbauten der 70er-Jahre. Selbst die durch große Fenster sichtbaren Stiegenhäuser sind ein schon länger bekanntes Gestaltungsmittel, das wohl in erster Linie dazu dient, möglichst viel Wohnraum von der durch den Verkehr beeinträchtigten Straßenseite wegzubekommen. Der vom Architekturbüro hervorgehobene „schlichte weiße Putz“, erweist sich bereits nach wenigen Jahren als angegraut und verleiht dem Wohnbau alles andere als einen hochwertigen Eindruck. Und ob es gelungen ist, durch „auskragende Sitzerker und Dachgaupen […] die stark strukturierte Fassadenornamentik der Nachbargebäude weiter[zuspielen]“, erscheint fraglich.
Denkbar weit weg vom versprochenen „Mehrwert für den gesamten Stadtteil“ ist das Ergebnis ein langer, tendenziell monotoner Riegel, der so breit ist wie drei typische Gründerzeithäuser. Ob das eine substantielle Verbesserung gegenüber dem 1950er-Gemeindebau auf der anderen Straßenseite ist?
Bei rein freifinanzierten Wohnungen, für die der Gesetzgeber keine Mietbegrenzungen vorsieht (Richtwerte gelten nur im Altbau), wäre vielleicht eine aufwändigere Architektur zu erwarten gewesen, vor allen in einer Lage genau zwischen Hauptbahnhof, Belvedere und erstem Bezirk. Sollte vielleicht mit so wenig Mitteln wie nötig so viel Wohnraum wie möglich hergestellt werden? Oder ist das Problem an den Universitäten zu suchen, in denen noch die Vorstellung der „Wohnmaschine“ herumgeistert? Dass selbst viele geförderte Wohnbauten mitunter optisch attraktiver sind, regt zum Nachdenken an.
Blech und Asphalt
Zumindest in einem Punkt hebt sich der Wohnbau merklich von der Umgebung ab: Die Fassadenbegrünung vor den Stiegenhäusern ist eine echte Neuerung, die es so erst seit einigen Jahren in Wien gibt. Inzwischen fördert die Stadt aktiv die Errichtung solcher Begrünungsmaßnahmen.
Das Beispiel Graf-Starhemberg-Gasse zeigt aber auch, wie wenig eine solche Begrünung tatsächlich bewirkt. Angesichts eines durchgehend asphaltierten Straßenraums, eines völligen Fehlens von Bäumen und einer gänzlich auf PKW zugeschnittenen Gestaltung sind die wenigen dünnen Rankpflänzchen ein bloßer Tropfen auf dem immer heißer werdenden Stein. Der Wunsch vieler Bürger nach mehr Grün und weniger Beton wird sich so nicht einlösen lassen.
Mehr Bäume braucht die Stadt!
Die Gestaltung des öffentlichen Raums ist nicht Sache von Immobilienentwicklern, sondern Aufgabe der Stadt Wien, die trotz einiger Fortschritte noch reichlich Nachholbedarf hat. Immer noch wird auf Gehsteigen dunkler Asphalt statt heller Steine verlegt. Ganzen Straßenzüge bestehen fast ausschließlich aus riesigen Asphaltdecken ohne jedwede Begrünung. Während viel Platz für Fahrspuren und Parkplätze aufgewandt wird, werden Fußgänger buchstäblich an den Rand gedrängt. Zudem ist nachts vor allem die Fahrbahn hell, denn anstatt schöner Straßenlaternen an Hauswänden und Gehsteigen beleuchten in Wien schmucklose Hängelampen den fahrenden Verkehr. Die einzigen Grünflächen in der Graf-Starhemberg-Gasse befinden sich auf den Flächen einer Schule und eines Gemeindebaus – also gar nicht im regulären Straßenraum. In anderen Grätzeln gibt es nicht einmal das.
Die Wiener Stadtregierung hat das Problem erkannt. Rezente Umbauten wie in der Rotenturmstraße und der Zieglergasse zeigen, wohin die Richtung geht. Für solche Veränderungen braucht es auch die Bezirke, denn sperrt sich eine Bezirksvorstehung gegen Umgestaltungsmaßnahmen, wird sich am Status quo nicht viel ändern. Vorreiter wie Neubau, Währing und Mariahilf könnten anderen Bezirken als positive Beispiele dienen.
Doch einzelne Vorzeigeprojekte dürfen auch nicht vom Grundproblem ablenken: Nach wie vor ist per Verordnung die Verwendung von Gussasphalt für Gehsteige vorgeschrieben. Verpflichtende Baumpflanzungen bei Umbauten im Straßenraum gibt es nicht. Und selbst in sensiblen historischen Umgebungen wie der Inneren Stadt, den historischen Ortskernen und den Gründerzeitvierteln ist die Straßenmöblierung (Lampen, Masten, Poller usw.) in erster Linie grau und schmucklos. Die Frage, ob und inwieweit die Magistrate eine verträgliche und hochwertige Gestaltung bei Neubauten sicherstellen sollen, ist dabei noch gar nicht angeschnitten. Es gibt noch viel zu tun in Wien.
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