Gumpendorfer Straße: Unerwartet trist, unerhört viel Potenzial

Die Gumpendorfer Straße steht vor einer Umgestaltung. Das ist auch an der Zeit, denn der Ist-Zustand ist nicht mehr zeitgemäß: Viel Autoverkehr, viel Asphalt und fehlende Bäume prägen eine Straße, die mehr Transitader statt Einkaufsmeile und Mittelpunkt eines Bezirks ist.

Straße mit Autoverkehr
Gumpendorfer Straße: viele Geschäfte, viele Lokale, viel Autoverkehr, viel Asphalt (Foto: 2023)

Das lange Bezirkszentrum

Mariahilf hat kein eigentliches Zentrum, keinen Hauptplatz. Aber es gibt mit der Gumpendorfer Straße eine Straße, die mitten im Bezirk liegt und ihn auf ganzer Länge durchzieht. Eine beliebte Straße mit vielen Geschäften, Lokalen und Unternehmen. Mit Ateliers und Büros, Kirchen und einer Universität. Wenn das kein Zentrum ist!

Autos in der Gumpendorfer Straße, Häuserzeile
nahe Stiegengasse (Foto: 2023)

Um sein langes Bezirkszentrum hat sich Mariahilf seit Jahrzehnten nicht gekümmert. Autoverkehr und weite Asphaltflächen zeichnen die Gumpendorfer Straße aus. Der für Wien so charakteristische karge Funktionalismus bestimmt den öffentlichen Raum. Einladend ist das nicht und passt auch so gar nicht zu den vielen gut erhaltenen Altbauten. Die zahlreichen Geschäfte und Lokale haben sich wohl nicht wegen, sondern eher trotz der kargen Straßengestaltung gehalten.

Straßenkreuzung in Mariahilf, Humana, Auto, Emmi's, Le Pho, Altbauten
an der Ecke zur Webgasse (Foto: 2023)

Die Politik hat gleichsam alles getan, um die Straße unattraktiv zu halten und nebenbei auch das Durchfahren mit dem Rad zu erschweren. Aufhalten soll man sich hier offenbar nicht, wenn auch die Plätze, durch die die Straße verläuft, teils nicht viel mehr sind als bloße Kreuzungen und Asphaltflächen. Jahrelang forderten die Grünen im Bezirk die von der SPÖ gestellte Bezirksvorstehung zum Handeln auf. Dann kündigte Bezirksvorsteher Markus Rumelhart endlich einen Bürgerbeteiligungsprozess und eine Neugestaltung an. 2025 soll der Umbau starten.

Kirche, Straße, Lieferwagen, Gehsteig, Zebrastreifen, Bäume
Lutherplatz (Foto: 2023)

Wer hat Platz?

Die folgende Grafik ist aus einer von der Stadt Wien beauftragten Studie. Dargestellt ist ein typischer Straßenquerschnitt, wie er sich auf etlichen Abschnitten der Gumpendorfer Straße findet. Eine solche Aufteilung mit Vorrang für den motorisierten Individualverkehr ist kein Spezifikum der Gumpendorfer Straße, sondern weithin Normalität. Die allermeisten Straßen in Wien sind so oder so ähnlich aufgeteilt.

Querschnitt einer Straße, schematische Darstellung
Grafik: "Potentialanalyse Gumpendorfer Straße" (2021), S. 14

Halbe Fläche nur für Fahrbahn

Die Verteilung der Flächen in der Gumpendorfer Straße sieht folgendermaßen aus[3]:

  • Fahrbahn: 50,9%
  • Gehsteig: 33%
  • Parkplätze: 10,8%
  • Schutzwege (Zebrastreifen): 4,5%
  • Grünflächen: 0,2%
  • Verkehrsinseln usw.: 0,6%

Gehsteige

Die Gehsteige in der Gumpendorfer Straße erfüllen die Mindestbreite von zwei Metern. Für die zentrale Straße des Bezirks könnten sie aber stellenweise durchaus etwas breiter sein – und im Detail schöner gestaltet. Zum Flickenteppich tendierender Asphalt mag für Fahrbahnen praktikabel sein, auf Gehsteigen macht er sich hingegen weniger gut. Nachhaltiger und schöner wären helle Pflastersteine.

Gehsteig in der Gumpendorfer Straße
Die Gehsteige sind mäßig attraktiv. (Foto: 2023)

Bei Kreuzungen bzw. Seitengassen sind die Gehsteige nicht durchgezogen (siehe Foto unten), aber immerhin abgesenkt. Fußgänger müssen also auf die Fahrbahn gehen und auf der anderen Seite wieder auf den Gehsteig. Wäre der Gehsteig durchgezogen, die Fahrbahn also auf einem kurzen Abschnitt erhöht, wäre das Gehen bedeutend angenehmer und die Botschaft klar: hier haben Fußgänger Vorrang. Fahrzeuge wären dann gezwungen, aufgrund der Schwelle abzubremsen – ein Gewinn für die Verkehrssicherheit.

Straße, Autos, Gehsteig, Verkehrszeichen, Fahrräder
bei der Hornbostelgasse: kein durchgezogener Gehsteig (Schwelle) (Foto: 2023)

Viele Autospuren, wenige Bäume

Die nächsten beiden Grafiken zeigen die Fahr- und Parkspuren.

Da die Gumpendorfer Straße keine Einbahn ist, stehen immer mindestens zwei Fahrspuren zur Verfügung. Auffällig ist das weitgehende Fehlen von Straßenbäumen.

Lärm

Der motorisierte Verkehr bringt auch Lärm mit sich. An einigen Stellen werden im Berechnungsmodell (Grafik unten) hohe Lautstärken erreicht. Wer die Straße kennt, wird um die Lärmproblematik ohnehin wissen. Die Kombination aus teils dichtem motorisierten Verkehr, hohen Häusern und einem nicht allzu breiten Querschnitt wirkt sich unvermeidlich auf den Geräuschpegel aus.

Karte der Gumpendorfer Straße
Lärmkarte (Grafik aus: laerminfo.at, Daten von 2022)

Schön schaut anders aus

Wie man schöne öffentliche Räume baut, ist längst bekannt. Beispiele finden sich etwa in den Niederlanden (Den Haag, Alkmaar, Utrecht), Belgien (Gent, Brüssel) und in Wien (Neubaugasse) zuhauf. Nicht alle sind mit der Gumpendorfer Straße vergleichbar. Aber die wichtigsten Elemente lassen sich herauspicken und entsprechend den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Vielen attraktiven Straßen ist gemein:

  • Der Autoverkehr spielt nur eine untergeordnete Rolle.
  • Fußgänger haben viel Platz.
  • Der öffentliche Raum ist nicht durch viele parkende Fahrzeuge verstellt.
  • Asphalt wird höchstens für Fahrbahnen verwendet, aber nicht für Gehsteige.
  • Die Erdgeschoßzonen der Häuser sind belebt (Geschäfte, Lokale, Ateliers usw.).
  • Auf Details wie Straßenbeleuchtung und Sitzbänke wird Wert gelegt.

Bei der Gumpendorfer Straße fällt auf:

  • Es herrscht viel Kfz-Verkehr.
  • Das Radfahren ist gefährlich.
  • Gehsteige und Parkplätze sind asphaltiert anstatt gepflastert.
  • Viele attraktive historische Bauten haben sich erhalten.
  • Vielerorts funktionieren die Erdgeschoßzonen hervorragend.
  • Die Gumpendorfer Straße ist weit über den Bezirk hinaus bekannt, könnte also von einer Aufwertung besonders profitieren.
  • Sitzbänke gibt es nur auf einigen Plätzen.

Es folgt ein kurzer Fotospaziergang vom Getreidemarkt in Richtung Gürtel (mehr Fotos in diesem Artikel).

Viel Veränderung gewünscht

2023 wurde eine Umfrage abgehalten, in der Eindrücke und Wünsche für eine Neugestaltung abgegeben werden konnten. 1.375 Personen nahmen online bzw. vor Ort teil. Wie bei vergleichbaren Umfragen, etwa zur äußeren Mariahilfer Straße und Landstraßer Hauptstraße, wurden Lärm und (Auto-)Verkehr als charakteristisch für die Straße genannt.

Schlagwortwolke
Grafik: "Die zukunftsfitte Gumpendorfer Straße" (2023), S. 5

Mangelnder Platz für Kinder, unkomfortables Radfahren und zu viele abgestellte Autos werden als größte Probleme angeführt.

"Derzeitige Pobleme in der Gumi", Auswertung einer Umfrage
Grafik: "Auswertung der (Online-)Umfrage" (Stadt Wien, Plansinn, 2023), S. 6

Für die Zukunft werden Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer gewünscht. Die Bedeutung als Einkaufsstraße wird hervorgestrichen.

Blasen mit Prozentzahlen
Grafik: "Die zukunftsfitte Gumpendorfer Straße" (2023), S. 5

Rund 80% wünschen sich eine grünere Straße, 8% eine autofreundlichere Gestaltung.

Auswertung einer Umfrage
Grafik: "Die zukunftsfitte Gumpendorfer Straße" (2023), S. 5

Kommt mutloser Umbau?

Wie stellen sich das Planungsressort und die Bezirksvorstehung die Gumpendorfer Straße der Zukunft vor? Dahingehend interessant sind die Grafiken einer 2024 abgehaltenen Ausstellung. Die erste Grafik veranschaulicht den Ist-Zustand und stellt ihn möglichen Veränderungen in der Zukunft gegenüber. Was auffällt: Die Gehsteige scheinen zwar verbreitert zu werden, sie werden jedoch zumindest teilweise und abwechselnd mit Bäumen als Parkplätze herangezogen. Das erinnert an die Thaliastraße (16. Bezirk), wo die Fahrzeuge nach dem Umbau auf gepflasterten Flächen anstatt, wie vorher, auf Asphalt parken.

Was erfreulicherweise auf jeden Fall kommt: ein Ausbau der Fernwärme. Die Leitungen werden bis zu allen Hauseingängen verlegt. Auch bei der Begrünung dürfte sich einiges tun. Über 200 neue Bäume seien möglich, inklusive Nebengassen sogar über 250.[1] Laut den Grünen ist das Potenzial für neue Bäume noch weit größer. Demnach könnten bis zu 400 Bäume gepflanzt werden.[2]

Grafik zur Umgestaltung der Gumpendorfer Straße
Grafik: "Die zukunftsfitte Gumpendorfer Straße" (2024), S. 6

Aufschlussreich ist eine weitere Grafik (siehe unten). Die Gehsteige sind gelb eingefärbt, was eine Verbreiterung im Vergleich zum aktuellen Zustand suggerieren soll. Wer genau hinsieht, wird erkennen: Nur an einigen Stellen sind die Gehsteige tatsächlich breiter als jetzt. Demnach sind zwei Fahrspuren und teilweise auch Parkplätze vorgesehen. Damit ist also überwiegend gar kein Platz für breitere Gehsteige.

Grafik zur Umgestaltung der Gumpendorfer Straße
Grafik: "Die zukunftsfitte Gumpendorfer Straße" (2024), S. 6

Bleibt Transitverkehr?

Offenbar kein Thema ist ein Stopp des Kfz-Transitverkehrs. Derzeit ist rund 25% des Kfz-Verkehrs Transitverkehr, in der Spitzenzeit sogar über 30%.[3] Könnte durch eine Teilung der Straße in der Mitte eine spürbare Verkehrsreduktion erreicht werden? Die Zufahrt für den Anrainer- und Lieferverkehr muss natürlich gewährleistet sein. Ebenso muss der Bus ungehindert durchfahren können. Aber ist es wirklich nötig, die Gumpendorfer Straße als Durchzugsstraße zu erhalten?

2025 soll jedenfalls mit dem Bau begonnen werden. Noch ist Zeit, entsprechend zukunftsträchtig zu planen, damit nicht nach wenigen Jahren schon wieder nachgebessert werden muss. Halbgare Lösungen, die schon kurz nach der Fertigstellung wieder zu Diskussionen führen, kennt man in Mariahilf zur Genüge: Der erst 2008 fertiggestellte Christian-Broda-Platz wurde 2024 schon wieder komplett umgebaut. Schlechte Planung ist nie nachhaltig, aber immer teuer.

Kontakte zu Stadt & Politik

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+43 1 4000 06110

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

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