Sorge um altes Gebäude bei Schönbrunn

Bei dem Haus in der Schönbrunner Straße 276 wurde das Dach abgedeckt. Das Gebäude scheint nun schutzlos der Witterung ausgeliefert zu sein. Sogar das Denkmalamt hatte Interesse am Schutz des Gebäudes. Doch die Unterschutzstellung musste abgebrochen werden – wegen „massiv devastierten Zustandes“. Die historische Fassade wurden ebenfalls zerstört.

Eigentümer des Hauses ist ein Unternehmen, zu dem auch eine Firma gehört, die in den letzten Jahren für einen aufsehenerregenden Abriss bekannt geworden ist.

Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert (zuletzt im November 2024).

Dachstuhl eines alten Hauses in Wien-Meidling
Schönbrunner Straße 276 im November 2022: Das Dach wurde abgedeckt. Was passiert jetzt? (Foto: anonym)

Keine Schutzzone nahe Schloss Schönbrunn

In der Umgebung von Schloss Schönbrunn haben sich viele historische Gebäude bis heute hervorragend erhalten. Während in Hietzing seit langem umfangreiche Ortsbild-Schutzzonen gelten, sieht es im benachbarten Meidling düster aus. Obwohl die äußere Schönbrunner Straße sogar in der Pufferzone des UNESCO-Weltkulturerbes liegt, hat es die Stadt Wien bis heute nicht geschafft, hier eine Ortsbild-Schutzzone einzurichten. Der hiesige Bebauungsplan datiert noch auf 1997, ist also hoffnungslos veraltet. Damals regierte in Wien eine Koalition aus SPÖ und ÖVP, Bürgermeister war Michael Häupl (SPÖ). Zuständig für die Flächenwidmung war das Planungsressort, das Stadtrat Bernhard Görg (ÖVP) unterstand.

Sind Bebauungspläne nicht exakt an alte Häuser angepasst – Stichwort: Bauhöhe -, kann das leicht zu massiven Aufstockungen oder kompletten Abrissen führen. Jetzt ist das alte Haus in der Schönbrunner Straße 276 an der Reihe. Doch was ist geplant?

eingerüsteter Altbau mit entferntem Dach in Wien-Meidling, Gerüst
Schönbrunner Straße 276 (Foto: anonym, November 2022)

Das Haus ist, soweit von außen erkennbar, gut erhalten. Die Fassade ist weitgehend im ursprünglichen Zustand. Hier ein Foto aus der Jahrhundertwende:

historische Aufnahme der Schönbrunner Straße in Wien-Meidling
Schönbrunner Straße 276 um 1902 (Foto: Wien Museum, Inventarnummer HMW 27680)

Abgesehen vom Balkon über dem Tor ist noch alles erhalten:

alte Häuser in Meidling, Gründerzeit, Biedermeier
Schönbrunner Straße 276 (Foto: 2000, MA 19/Stadt Wien)

Dach abgedeckt

Dem Vernehmen nach sei eine Aufstockung und ein massiver Umbau in Planung. Im November 2022 wurden die Dachziegel entfernt und Teile des Dachstuhls abgebaut. Dadurch ist die Bausubstanz derzeit Wind und Wetter vollkommen ausgesetzt.

Altbau in der Schönbrunner Straße, Baustelle, offenes Dach
Im November 2022 wurden die Dachziegel entfernt. (Foto: 12.11.2022)

Welche Bauarbeiten wurden von den Behörden genehmigt? Wie wird sichergestellt, dass das Haus durch das entfernte Dach keinen Schaden nimmt? Eine Antwort der zuständigen Abteilung ist bisher nicht eingetroffen.

Denkmalamt wollte Gebäude schützen

Die hohe Bedeutung des Gebäudes zeigt sich auch daran, dass das Bundesdenkmalamt das Gebäude unter Denkmalschutz stellen wollte. Das Verfahren für die Unterschutzstellung lief bereits – musste aber abgebrochen werden, wie das Denkmalamt erklärte:

Das Bundesdenkmalamt hat das Haus (…) unter Denkmalschutz gestellt. Gegen diesen Bescheid wurde von Eigentümerseite ein Rechtsmittel eingebracht. Bei einem unmittelbar danach erfolgten Augenschein hat sich herausgestellt, dass sich das Haus bereits in einem massiv devastierten Zustand, vor allem im Inneren, an der Fassade und im Dachbereich, befand. An der verbliebenen Substanz des Gebäudes konnten keine ausreichenden Denkmaleigenschaften im Sinne des Denkmalschutzgesetzes mehr festgemacht werden, weswegen der Mandatsbescheid behoben werden musste.

Könnte das heißen, dass hier noch rasch Tatsachen geschaffen wurden, um den Denkmalschutz abzuwenden? Also Bauarbeiten, um dem Haus seine historische Relevanz und Schutzwürdigkeit zu nehmen?

Biedermeierhaus in Meidling
Schönbrunner Straße 276 vor den Bauarbeiten (Foto: anonym)

Historische Fassade abgeschlagen!

Ende Februar 2023 wurde WienSchauen eine Aufnahme zugespielt, die die Fassade des Biedermeierhauses zeigt. Klar erkennbar ist, wie der Fassadendekor abgeschlagen wurde. Es ist kaum vorstellbar, dass solch eine destruktive Baumaßnahme tatsächlich genehmigt wurde.

Dach komplett weg

Im Juni 2023 bot sich ein folgendes Bild dar: Das Dach fehlte völlig, die oberste Geschoßdecke war entfernt worden. Soweit von der Straße aus erkennbar, sind nur noch die Fassade (mit abgeschlagenem Dekor) und einige Grundmauern übrig. Bewilligt von der Behörde als Deckensanierung.

Im April 2024 erreichte WienSchauen ein Foto, das das Gebäude von oben zeigt. Demnach ist die Bausubstanz völlig ungeschützt vor der Witterung.

Haus ohne Dach, Blick von oben
Schönbrunner Straße 276 - ca. April 2024 (Foto: anonym)

Auch bis November 2024 hat sich nichts geändert (siehe Fotos unten).

Haus ohne Dach, Pflanzen, Fenster, Mauer
ca. November 2024 (Foto: anonym)

Eigentümer ist gut bekannt

Das Gebäude gehört der Super-Immo Immobilientreuhand GmbH. Dabei handelt es sich um die Steiner Immobilien Gruppe aus Wien. Das Unternehmen fand 2018 sogar in einer parlamentarischen Anfrage Erwähnung. Demnach ist der Eigentümer schon mehrfach durch Abrisse von Altbauten aufgefallen. Die SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher erklärte in dieser Anfrage:

Das Phänomen der Finanzialisierung des Wohnbaumarktes, also das Überhandnehmen von profitorientierten Anlageinteressen gegenüber Wohn- und Werterhaltsinteressen hat u.a. zu zwei Phänomenen geführt: Erstens werden intakte Mietshäuser abgerissen, um (meist architektonisch anspruchslosen) Anlagewohnungsobjekten zu weichen. Zweitens werden MieterInnen unter Druck gesetzt (…) Die Entschlossenheit und die Energie im Bereich dieser Machenschaften wurde im Rahmen der von der Gemeinde Wien verhängten Genehmigungspflicht im September dieses Jahres [2018] offenbar: Alleine im 22. Wiener Gemeindebezirk mussten am Tag nach Inkrafttreten der Genehmigungspflicht sechs von neun laufenden Hausabbrüchen von der Polizei gestoppt werden!

(…) Ein medial vielbeachtetes Beispiel ist das Althaus Radetzkystraße 24–26 in 1030 Wien. Das 1847 im Stil der Neogotik errichtete und mittlerweile als schutzwürdig erklärte Haus wurde durch gestoppte Abrisstätigkeiten umfassend beschädigt. Eine unglaubliche Respektlosigkeit, denn zum Zeitpunkt des Teilabrisses war es noch bewohnt. Acht Mietparteien zählt das baulich beeinträchtigte Haus heute. Von Amts wegen wurde die Abdichtung des Daches für die verbliebenen Hausparteien vorgeschrieben. Der noch vorhandene Dachbereich wurde nämlich im Zuge des Teilabbruchs beschädigt. Der thermisch-energetische Zustand des Resthauses bringt enorme Probleme für die wohnhaften Menschen. Unter ihnen befindet sich eine 94-jährige Dame, die an das Bett gefesselt ist.

Dass intakte Althäuser durch Neubauten ersetzt werden, ist kein neues Phänomen. Wer dahinter aber den/die einzelne/n HausbesitzerIn vermutet, irrt. Recherchen ergeben, dass es sich dabei mitunter um, teils verschachtelte Netzwerke handelt. Ein Blick in das Grundbuch fördert im konkreten Fall (Radetzkystraße 24–26) zu Tage, dass der Urheber der rigorosen Abrisstätigkeiten weitreichende Aktivitäten zeitigt.

Das in der Anfrage erwähnte Haus in der Radetzkystraße im 3. Bezirk ist ein besonders extremer Fall. Trotz Widerstandes der Bewohner gelang es dem Eigentümer, der zu Steiner gehörenden GT14 GmbH, den Totalabriss letztlich durchzusetzen.

Abriss eines Altbaus in Wien-Landstraße
Radetzkystraße Nr. 26 wird abgebrochen (Foto: Februar 2022, Christian Seiler)

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Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

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