Ungargasse 25: Investor will Biedermeierhaus abreißen

Das Biedermeierhaus in der Schutzzone soll abgerissen werden. Der Eigentümer ist ein bekannter Börseninvestor.

Dieser Artikel wurde am 3.2.2023 aktualisiert.

Biedermeierhaus in Wien-Landstraße
Das Biedermeierhaus soll trotz Schutzzone abgerissen werden. (Foto: 2019)

Biedermeierhaus und leeres Hotel

Das Biedermeierhaus in der Ungargasse 25 wurde etwa zwischen dem Ende des 18. und dem Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut. Der damaligen Zeit und der Architektur entsprechend wurde nur spärlicher Dekor angebracht. Wie original Haus und Fassade noch erhalten sind, lässt sich mangels historischer Fotoaufnahmen nicht sagen. In jedem Fall ist das Haus bedeutend, denn es liegt im Zentrum der Ortsbild-Schutzzone zwischen Ungargasse und Landstraßer Hauptstraße. Aus Sicht von Stadtbild und historischer Relevanz ist das Haus zweifellos erhaltenswert.

Fassade eines Biedermeierhauses in Wien-Landstraße
Ungargasse 25 (Foto: 2019)

Das Gebäude gehört zu einer Liegenschaft, auf der sich auch das ehemalige Hotel Roter Hahn befindet. Ein Abriss des leerstehenden Hotels an der Landstraßer Hauptstraße wird seit Jahren befürchtet. Der Eigentümer hat jedoch mehrfach den Erhalt versprochen und einen Umbau angekündigt. Da das Denkmalamt eine Unterschutzstellung verweigert hat, gilt aber auch hier nur die wenig effektive Schutzzone. Am bzw. hinter dem alten Hotel wurden 2022 Bauarbeiten gestartet, wobei auch der Eingangsbereich an der Landstraßer Hauptstraße teilweise abgebrochen wurde.

leerstehendes Hotel in der Landstraßer Hauptstraße, historisches Gebäude
Hotel Roter Hahn in der Landstraßer Hauptstraße 40 (Foto: Dezember 2022)

Abriss trotz Schutzzone genehmigt

Die Schutzzone ist ein Instrument der Wiener Bauordnung, das Altbauten vor der Zerstörung bewahren soll. In regelmäßigen Abständen entpuppt sich die Schutzzone aber als völlig zahnlos. Gesetzesbestimmungen, die Abrisse effektiv verhindern, existieren nicht. Bebauungspläne erlauben zudem häufig, dass viel größere Neubauten anstelle von erhaltenswertem Altbestand errichtet werden dürfen. Offenbar besteht in der Wiener Politik kein Interesse daran, historische Gebäude und die darin verbauten Rohstoffe („graue Energie“) zu erhalten.

2017 war in der Tageszeitung Der Standard zu lesen:

Grundsätzlich gilt: In Schutzzonen darf abgerissen werden, was aus Sicht des Stadtbildes nicht erhaltenswert oder wirtschaftlich bzw. technisch abbruchreif ist. Der Eigentümer, seit 2009 eine Firma des Investors Alexander Proschofsky, stellte entsprechende Anträge für die Ungargasse [25], die die Baupolizei ablehnte: Das Haus sei technisch nicht abbruchreif. Dem widerspricht das Verwaltungsgericht Wien und fügt in einem Beschluss vom Sommer 2017 hinzu, dass „kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Hauses gegeben“ sei. Die Baupolizei blieb bei ihrer Meinung (…) Sie legte außerordentliche Revision ein: Der Fall liegt nun beim Verwaltungsgerichtshof.

Die Bezirkszeitung berichtete 2018:

Das Haus in der Ungargasse 25 liegt in der Schutzzone. Dieses ist vom Abbruch bedroht – im Zusammenhang mit einem Bauprojekt an der Landstraßer Hauptstraße. „Hier entscheiden Oberstgerichte seit Jahren nicht“, so [Bezirksvorsteher-Stellvertreter Rudolf] Zabrana. „Der Bezirk und die Stadt sind durch alle Instanzen gegangen.“ 

Ende 2022 erklärte die Baupolizei auf eine Anfrage hin, dass nun eine Entscheidung vorliegt: Das Gebäude darf abgebrochen werden.

Meinbezirk.at berichtete im Dezember 2022:

In der Ungargasse 25 ist die baurechtliche Abbruchreife gegeben, es würden aber noch zivilrechtliche Ansprüche bestehen. Im Jänner soll es eine Veranstaltung mit den Mieterinnen und Mietern dort geben.

Biedermeierhaus in Wien
Ungargasse 25: erbaut Ende 18. bis Anfang 19. Jahrhundert (Foto: 2019)

Das Haus ist – Stand: Jänner 2023 – noch bewohnt. Ein Abriss ist nur dann möglich, wenn alle Mieter ausgezogen sind. Genaue Pläne, was der Eigentümer mit dem Grundstück vorhat und was gebaut werden soll, sind nicht bekannt.

Abendaufnahme eines Biedermeierhauses in Wien-Landstraße
(Foto: 2019)

Abriss wegen veralteter Gesetzesbestimmung erlaubt

Anfang Februar berichtete der ORF über das Haus:

Für einen Abriss zugunsten des Eigentümers hat letztlich das Verwaltungsgericht entschieden. „Das Verwaltungsgericht hat sich da auf einen Tatbestand gestützt, der bis 2018 in der Bauordnung enthalten war, dass die Gebäude nicht an die Umgebung entsprechend angepasst sind, dass also hier kein einheitliches Stadtbild gegeben ist und das war dann letztlich das, was hier den Ausschlag gegeben hat“, erklärte Gerhard Cech, Leiter der Baupolizei (MA 37), die sich acht Jahre lang für den Erhalt des Gebäudes eingesetzt hatte.

Der Abriss wurde also offenbar nicht – wie in der ersten Version dieses Artikels vermutet – wegen Unsanierbarkeit (Abbruchreife) gestattet. Der Grund, warum der Abriss erlaubt wurde: Bis zu einer Gesetzesänderung im Juni 2018 mussten Häuser einander sehr ähnlich sein, um als „Ensemble“ zu gelten. Diese hochproblematische Bestimmung, die jahrzehntelang gegolten hatte, wurde indes zwar geändert. Für das Haus in der Ungargasse 25 kommt diese Änderung aber zu spät.

Weiteres Gebäude gefährdet

Ein weiteres Gebäude in der unmittelbaren Nähe scheint gefährdet: Das gut erhaltene Biedermeierhaus in der Ungargasse 34 steht seit Jahren leer. Zukunft ungewiss.

altes Haus in Wien-Landstraße, Restaurant zum alten Heller, Gastwirtschaft
Was wird aus dem Haus in der Ungargasse 34? (Foto: 2020)

Kontakte zu Stadt & Politik

www.wien.gv.at
post@bv03.wien.gv.at
+43 1 4000 03110

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

Wenn Sie mir etwas mitteilen möchten, können Sie mich per E-Mail und Formular erreichen. WienSchauen hat auch einen Newsletter:

Nach der Anmeldung erhalten Sie ein Bestätigungsmail.