Am Mariahilfer Gürtel im 15. Bezirk haben sich etliche prächtige Gebäude im Stil des Historismus erhalten. Gleich drei nebeneinanderliegende Häuser sind aber in augenscheinlich schlechtem Bauzustand. Wie geht es mit dem historischen Ensemble weiter?
Dieser Artikel wurde aktualisiert (Dezember 2023). Der aktualisierte Teil ist ganz unten.
Mariahilfer Gürtel 9
Das Haus an der Ecke zur Clementinengasse ist äußerlich wahrscheinlich komplett original erhalten. Der aufwendige Fassadenschmuck ist typisch für das späte 19. Jahrhundert. Sogar die Nutung („Rillen“) im Erdgeschoß ist noch vorhanden. Trotzdem hat die Stadt Wien bis heute keine Ortsbild-Schutzzone für das Gebäude und seine Umgebung festgelegt. Rechtlich möglich wäre das seit den 1970er-Jahren gewesen.
Auffällig ist der Bauzustand. Das Gebäude scheint schon lange nicht mehr saniert worden zu sein. Auf der Fassade sind zudem Spuren vergangener Reparaturen zu erkennen. Die Baupolizei erklärte, dass schon Bauaufträge an den Eigentümer ergangen sind. Es liefen sogar schon Vorbereitungen für eine Ersatzvornahme – also eine behördlich angeordnete Zwangssanierung. Bisher (November 2022) ist aber von einer Sanierung nichts zu sehen.
Sorge bereitet das Gebäude auch, da gegenüber erst kürzlich ein hoher Neubau mit niedrigen Raumhöhen und minimalistischer Fassadengestaltung fertiggestellt wurde. Zudem wurde 2018 nicht weit entfernt ein prachtvoller Historismus-Bau demoliert. Weitere Abrisse gab es in der nahen Kranzgasse und Mariahilfer Straße. Droht auch das Eckhaus am Mariahilfer Gürtel 9 durch belanglose Investorenarchitektur ersetzt zu werden? Das wird in einem Artikel der Tageszeitung „Die Presse“ befürchtet.
Das Gebäude ist auch Thema im Bezirksparlament geworden. Die Kleinpartei Links, zu der auch die KPÖ gehört, stellte einen Antrag, in dem zu lesen ist:
Das Gebäude scheint seit längerer Zeit schon bestandsfrei zu sein, auch das Restaurant im Erdgeschoß hat vor einigen Wochen seinen Betrieb eingestellt. An der Fassade nehmen die Verputzschäden zu, viele sind nur notdürftig repariert. Fassadenapplikationen, insbesondere unter dem Dachgesims im Eckbereich, wurden offenbar abgeschlagen und nicht repariert
Obwohl der Großteil des Häuserblocks (noch) ein einheitliches Ensemble darstellt, liegt dieser Teil der Blockrandbebauung nicht in einer Schutzzone, mit der der Verlust gründerzeitlicher, sanierungswürdiger, nachhaltig nutzbarer Bausubstanz erschwert und eine drohende stadtbildzerstörende, nur Nutzflächen und Profit maximierende Neubebauung vielleicht verhindert werden kann.
Zuständig ist jetzt die Baupolizei (MA 37), die Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) untersteht.
Clementinengasse 4
Auch das weitgehend baugleiche Nebenhaus ist in einem sichtbar sanierungsbedürftigen Zustand. Beide Häuser wurden wohl zeitgleich errichtet. Bauherr und Architekt ließen sich bisher nicht ermitteln.
Beide Häuser scheinen weitgehend unbewohnt zu sein.
Mariahilfer Gürtel 11
Die Fassade dieses Hauses ist wahrscheinlich ebenfalls komplett im ursprünglichen Zustand erhalten – vom Erdgeschoß bis zum Gesims. Gewisse äußerliche Schäden sind erkennbar. In dem Haus befindet sich eine Zweigstelle der Missionarinnen der Nächstenliebe, einer von Mutter Theresa (1910-1997) gegründeten katholischen Ordensgemeinschaft.
Auf dem Foto unten wird der Ensemblecharakter deutlich. Saniert ist nur das Haus ganz rechts, wo zudem ein Dachgeschoß hinzugefügt wurde.
Wie sich Häuser vorbildlich erhalten lassen, ist nur wenige Hausnummern weiter zu sehen, wo ein schmuckvolles Jugendstilhaus aufwendig saniert worden ist. Im benachbarten Meidling wurde ein späthistoristisches Gebäude am Gürtel nicht nur saniert, es wurde sogar der Fassadenschmuck nach Originalplänen rekonstruiert.
2023: Mariahilfer Gürtel 11 saniert
Eine erfreuliche Entwicklung hat das Gründerzeithaus am Mariahilfer Gürtel 11 genommen. Die Fassade wurde 2023 saniert und erstrahlt wieder in neuem Glanz.
Clementinengasse: Wird wirklich saniert?
Besorgniserregender erscheint der Zustand der beiden großen Häuser in der Clementinengasse. Beide sind schon sichtlich schadhaft. Es scheint, als würde nun Clementinengasse Nr. 4 saniert, doch ist die Baustelle auffällig. Wird hier tatsächlich gearbeitet? Beginnen Umbau und Sanierung erst? Zumindest stand einmal ein Fenster offen, ohne dass Bauaktivitäten zu sehen waren.
Von der Baubehörde sind ein Dachgeschoßaufbau, ein Zubau und bauliche Änderungen genehmigt.
Kontakte zu Stadt & Politik
- SPÖ: kontakt@spw.at, Tel. +43 1 535 35 35
- ÖVP: info@wien.oevp.at, Tel. +43 1 51543 200
- Die Grünen: landesbuero.wien@gruene.at, Tel. +43 1 52125
- NEOS: wien@neos.eu, Tel. +43 1 522 5000 31
- FPÖ: ombudsstelle@fpoe-wien.at, Tel. +43 1 4000 81797
(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Weitere Infos
- Der Wiener Abrissboom (Die Presse, 2.11.2022)
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