Im 7. Bezirk wurde ein Altbau massiv aufgestockt. Auch etliche Fenster wurden getauscht und farblich mit der Fassade in ein Schwarz-Weiß-Schema überführt.
Grundsätzlich sind Sanierung und Dachausbau sehr sinnvoll. Aber so?
Altbau in bester Lage
Die Gegend um die Mariahilfer Straße ist beliebt und teuer. Die hohen Grundstückspreise haben zu Abbrüchen im näheren Umfeld zumindest beigetragen (z. B. Kaiserstraße 31), zeigen sich aber vor allem auch in Form von Sanierungen und Dachausbauten. Durch den Ausbau der Dächer kann neuer Wohnraum gewonnen und zugleich ein Altbau erhalten werden. Aber nicht immer harmonieren Alt und Neu miteinander.
Das Haus in der Kaiserstraße 38 war die längste Zeit völlig unauffällig. Geschäfte im Erdgeschoß, etwas Dekor um die Fenster – nicht anders als viele alte Häuser. Allenfalls die geringe Höhe stach ins Auge. Ob das im Häuserkataster aus den 1920er-Jahren eingetragene Baujahr 1905 korrekt ist? Dekor und Bauhöhe lassen eher auf ein deutlich früheres Errichtungsdatum schließen.
Das Haus hat 2008 noch so ausgesehen:
Irgendwann zwischen 2008 (Foto oben) und 2017 (Ansicht unten) erhielt das Haus einen neuen Anstrich. Sonst ist äußerlich keine Veränderung zu erkennen:
Aufstockung ohne Rücksicht
2019 wurde mit umfangreichen Bauarbeiten begonnen. Zwei Regelgeschoße und ein Dachgeschoß kamen dazu. Bei der Form und Größe der neuen Fenster wurde stark mit dem alten Bestand darunter gebrochen, ebenso mit den Nachbarhäusern. Zudem wurden die mittleren Fenster und der Dekor schwarz gestrichen, was dem Umbau noch eine zusätzliche Härte verleiht. Hier zeigt sich einmal mehr, dass sich viele Planer ausschließlich auf die Farben Schwarz und Weiß beschränken. Bei vielen Neubauten ist das schon offensichtlich, in der Kaiserstraße nun auch bei einem Altbau.
Während des Umbaus hing ein vielsagendes Plakat auf dem Gerüst:
Das Foto unten zeigt das Gebäude nach Abschluss der Bauarbeiten. Dekor und Fensterrahmen sind schwarz gestrichen, die mittleren Fenster sind schwarz und teils ohne Sprossen. Die aufgesetzten Stockwerke lassen keinen Bezug auf die alten Geschoße darunter erkennen (hinsichtlich Fensterachsen und Größe der Fenster). Trotzdem wurde das von den Behörden offenbar so genehmigt. Eine Anfrage, ob das gebaute Resultat auch mit dem von der Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) genehmigten Plan übereinstimmt, wurde bisher nicht beantwortet.
Explizite Vorgaben darüber, dass sich neue Geschoße und Dachausbauten gestalterisch am Altbestand orientieren müssen, macht das Wiener Baurecht übrigens nicht.
An dieser Stelle soll noch einmal herausgestrichen werden: Der Umbau und die Aufstockung von Altbauten sind nicht das Problem. Es ist sinnvoll, dort neuen Wohnraum zu schaffen, wo schon Infrastruktur existiert (öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte usw.). Aber es geht auch darum, wie eine Aufstockung konkret aussieht und welcher Gesamteindruck damit erreicht wird. Ob anhand des Altbestandes sanft weitergebaut wird und so viel wie möglich erhalten bleibt. Oder ob ohne Bedacht auf das alte Gebäude und das Umfeld geplant wird. Fragen der Leistbarkeit von Wohnraum und der konkreten Verwendung der Flächen sind dabei natürlich noch nicht einmal angeschnitten.
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Das Baujahr 1905 findet sich in: Häuser-Kataster der Bundeshauptstadt Wien, III. Band, 1920, S. 130.
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