Das „Sperl-Haus“ im 4. Bezirk ist eines der prominentesten Opfer der Abrisswelle von 2018. Der Fall des in Windeseile demolierten Biedermeierhauses mit seinem Traditionsrestaurant führt vor Augen, wie hoch der wirtschaftliche Druck auf viele Altbauten inzwischen ist. Wenn schon in den Außenbezirken der Reihe nach historische Gründerzeithäuser durch Neubauten ersetzt werden, verwundert es kaum, dass in den Innenbezirken noch härteren Bandagen aufgezogen werden.
Hinweis: Dieser 2019 erschienene Artikel wurde mehrfach aktualisiert und erweitert (zuletzt im April 2024).
Traditionsgasthaus schließt nach 93 Jahren
Die Karolinengasse – hier war das „Sperl“ – befindet sich ganz im Süden des 4. Bezirks. Die Lage könnte nicht besser sein: Hauptbahnhof, Schloss Belvedere, Karlsplatz – alles in Gehweite. Entsprechend entwickeln sich die Wohnungspreise. Häuser werden saniert, teure Dachausbauten entstehen, und wo es sich einrichten lässt, wird abgerissen.
Mit dem Sperl-Haus ging es dann ganz schnell. So schnell, wie es kaum jemand erwartet hätte. Am 18. Juni verkündete der Eigentümer des bekannten Restaurants das Aus. Vier Tage später war die Gaststätte geschlossen. Auf der Facebook-Seite des Restaurants verwies der Inhaber auf die Bürokratie, die ihm zu schaffen gemacht habe: Allergenverordnung, Raucher-Nichtraucher-Regelung, Lohnnebenkosten, strenge behördliche Auflagen und so weiter. Knapp 6 Millionen Euro soll eine Immobilienfirma für das Haus bezahlt haben.
Schon wenige Tage nach der endgültigen Schließung fuhren die Abrissbagger auf und machen kurzen Prozess mit dem 1826 erbauten Biedermeierhaus. Auch eine Demonstration der damaligen Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Barbara Neuroth (Grüne) mit Anrainern und Bezirksräten konnte nichts mehr dagegen ausrichten.
Hohe Bauklasse macht Abrisse attraktive
Das „Sperl-Haus“ ist bedeutend älter und somit auch niedriger als die meisten Gebäude in der Umgebung. Das wurde dem Haus zum Verhängnis: Da die maximal erlaubte Bauhöhe nicht ausgereizt ist, wurde der Abriss erst so richtig attraktiv. Warum haben die Behörden bei der letzten Planüberarbeitung im Jahr 2002 also nicht Bauklasse und Geschoßzahl an das historische Gebäude angepasst? Warum wurde keine Schutzzone verhängt?
Laut Immopreise.at kosten Eigentumswohnungen im 4. Bezirk durchschnittlich fast 6500 Euro pro Quadratmeter – etwa gleich viel wie in Döbling und deutlich mehr als in den meisten anderen Wiener Bezirken. „Der große Erfolg des Stadtentwicklungsgebiets Hauptbahnhof hat dem lange Zeit eher beschaulichen Geschehen neuen Schwung verliehen und den Markt auf ein Preisniveau gebracht, das besonders hochwertige Projekte ermöglicht“, so der Zinshaus-Marktbericht für 2018 von EHL. Vereinzelt seien sogar Quadratmeterpreise bis zu 14.000 Euro erzielt worden.
Baupolizei erzwang Abrissstopp
Mit Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle Ende Juni 2018 stoppte die Baupolizei alle Abrissarbeiten in ganz Wien. Ab sofort brauchte es eine Genehmigung, um alte Häuser abzubrechen. Damit wurde eine jahrelange Forderung von Denkmalschützern umgesetzt.
Auch beim „Sperl-Haus“ ruhten die Abrissmaschinen. Doch nur mehr eine Ruine war übriggeblieben. Das Dach und viele Fenster fehlten. Eine halbe Hausfront war demoliert. Trotzdem befand die zuständige Abteilung der Stadt Wien, dass das Haus erhaltenswert ist. Der weitere Abriss wurde untersagt.
Bei Abrissgegnern kam leise Hoffnung auf. Für den Eigentümer bedeutete der Stopp eine Verzögerung und dass die Ruine bleiben muss. Im Hintergrund arbeiteten schon die Gerichte.
Abriss wurde plötzlich fortgesetzt
Sechs Monate später in einer Nacht und Nebel-Aktion. In aller Frühe am 14.1.2019 fuhren plötzlich wieder die Abrissbagger auf. Jetzt ging es der Ruine an den Kragen. Als wenige Stunden später die Baupolizei eintraf, war fast nichts mehr von dem Gebäude erhalten.
Bezirksvorsteherin Lea Halbwidl (SPÖ) meinte dazu im „Standard“: „Ich finde es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will.“ Grünen-Bezirksrat Manfred Itzinger stellte fest, dass „sogar die Gefährdung der Bevölkerung in Kauf genommen [wurde]. Der Schutt stürzte auf den Gehsteig, ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen.“finde es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will – derstandard.at/2000096163750/Abbruch-eines-Wiener-Gruenderzeithauses-wurde-erneut-gestopptIch finde es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will – derstandard.at/2000096163750/Abbruch-eines-Wiener-Gruenderzeithauses-wurde-erneut-gestopptIch finde es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will – derstandard.at/2000096163750/Abbruch-eines-Wiener-Gruenderzeithauses-wurde-erneut-gestopptIch finde es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will – derstandard.at/2000096163750/Abbruch-eines-Wiener-Gruenderzeithauses-wurde-erneut-gestopptIch finde es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will – derstandard.at/2000096163750/Abbruch-eines-Wiener-Gruenderzeithauses-wurde-erneut-gestoppt
Der Eigentümer berief sich laut einem Bericht des „Standard“ auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien. Laut Baupolizei lag aber ein Formalfehler vor. Der Abriss sei also illegal erfolgt. Die Behörden kündigten an, strafrechtlich gegen den Eigentümer vorzugehen. Von hohen Bußgeldern und einem Entzug der Gewerbeberechtigung war die Rede. Einmal mehr waren die Gerichte am Zug.
Die höchste zulässige Strafe für nicht genehmigte Abrisse betrug zum Zeitpunkt des Abrisses 100.000 Euro. Ungeachtet dem aktuellen Fall ist anzuzweifeln, ob eine solche Summe tatsächlich wirkungsvoll abschrecken kann. Umgerechnet auf die durchschnittlichen Immobilienpreise des 4. Bezirks entspricht das – vereinfacht gesagt – einem etwa 15 Quadratmeter großen Zimmer.es empörend, dass ein Bauherr hier Fakten schaffen will – derstandard.at/2000096163750/Abbruch-eines-Wiener-Gruenderzeithauses-wurde-erneut-gest
Nur Hofgebäude geblieben
Im Sommer 2019 war das gesamte straßenseitige Gebäude bereits abgetragen. Nur ein kleiner Teil im früheren Hof blieb erhalten – wohl deswegen, da die Fläche nach einem Abriss nicht mehr bebaut werden dürfte. Eigentümer ist laut Kurier die Firma Chez Karoline GmbH.
Anfang 2023 war von Bauarbeiten immer noch nichts zu sehen:
Im März 2024 berichtete der Kurier:
Stehen geblieben ist nur das Salettl im Innenhof. Als das Sperl noch stand, war dort ein Festsaal, in dem fallweise Theatervorstellungen stattfanden. (…) Trotz der Vorgeschichte liegt für das Projekt (24 Wohnungen, 2 Geschäftseinheiten) eine Baubewilligung vor. Warum diese noch nicht genutzt wurde, ist unbekannt; (…) Sie hat in der Zwischenzeit ein modifiziertes Projekt eingereicht, in dem die ursprüngliche Bauhöhe überschritten wird. Dieses wurde vom Bezirk abgewiesen, erst vor einigen Wochen hat es das Verwaltungsgericht dann aber doch bewilligt.
2024: Bauarbeiten
Im April 2024 waren Bauarbeiten auf dem Grundstück zu sehen. Wird jetzt das neue Gebäude errichtet?
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Weitere Infos
- Gasthaus Sperl in Wien: Noch immer kein Neubau in Sicht (Kurier, 27.3.2024)
- Gasthaus Sperl: Abriss gestoppt, Stadt kündigt Strafanzeige gegen Eigentümer an (Der Standard, 14.1.2019)
- Abriss von Gasthaus Sperl gestoppt – Gebäude ist erhaltungswürdig (meinbezirk.at, 2.7.2018)
- Flashmob gegen Schließung des Restaurant Sperl (Kurier, 22.6.2018)
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