Seit 2016 werden Pläne gewälzt, das Gründerzeithaus am Landstraßer Gürtel 17 ganz oder teilweise abzureißen. Aber noch steht das Wohnhaus aus dem Jahr 1893 mit seiner markanten historischen Fassade. Wie lange noch?
Letztes Gründerzeithaus am Landstraßer Gürtel
Eine Schönheit ist er nicht, der Landstraßer Gürtel. Stark verkehrsbelastet und entsprechend laut schneiden seine fünf Fahrspuren mitten durch den dritten Bezirk hindurch. Die lange Häuserzeile am Landstraßer Gürtel hat im 2. Weltkrieg schwere Schäden erlitten. Viele Gründerzeithäuser wurden dabei beschädigt und zerstört. Aber nicht alle. Während rundherum Nachkriegsfassaden und nachträglich vereinfachte Gründerzeithäuser stehen, hat sich Haus Nr. 17 bis heute in originalem Zustand erhalten.
2012 fahren die Abrissbagger auf – für das Nebenhaus. Nr. 15 trug einst den gleichen kunstvollen Fassadenschmuck wie Nr. 17, doch hat man dem Haus in der Zeit des Wiederaufbaus nach 1945 eine glatte Fassade verpasst, wie von einem Anwohner zu erfahren war. Heute findet sich auf Nr. 15 ein schmuckloser Neubau, der sich nicht so recht in die Umgebung einfügen will.
Gründerzeithaus soll weg
Zu der Zeit hat noch niemand geahnt, was fünf Jahre später auf die Bewohner des Hauses Nr. 17 zukommen würde. Anfang 2017 heißt es dann plötzlich: Wir reißen ab! Im Internet taucht eine Visualisierung auf, die anstelle des historischen Altbaus ein modernes Investorenhaus mit glatter Fassade zeigt. Dass das alte Haus eine Renovierung braucht, hat sich abgezeichnet. Mit einem Abriss hat aber niemand gerechnet.
Politik will Haus schützen
Doch die Bezirkspolitik bleibt nicht untätig. Grünen und SPÖ bringen einen Antrag in die Bezirksvertretung ein. Das Grätzl, in dem das Haus liegt, soll hinsichtlich einer Schutzzone geprüft werden. Eine Schutzzone kann dabei helfen, historische Häuser für die Zukunft zu erhalten und Abrisse zu verhindern. Doch noch gibt es am Landstraßer Gürtel keine. Der Antrag wurde mit Mehrheit beschlossen.
Die Medien klopfen an
Nach einem Artikel in der Bezirkszeitung und einer Reportage in der Wiener Zeitung wird auch der ORF auf das Haus und seine Bewohner aufmerksam. Ein Team der Doku-Reihe „Am Schauplatz“ besucht zwei Bewohner, die seit Jahrzehnten in dem Haus wohnen und um ihre Wohnung fürchten.
Der erste Schritt zur Schutzzone
Ende 2017 tritt eine Bausperre in Kraft. Am Landstraßer Gürtel und im ganzen Fasanviertel gelten ab sofort strenge Regeln für den Abriss und Umbau von Gebäuden. Die Bausperre ist eine Vorbereitung auf die Schutzzone.
Geförderte Sanierung?
Monate vergehen. Noch ist nicht klar, wie der Mehrheitseigentümer auf die Interventionen des Bezirks reagiert. Dann macht die Fassade Probleme. Kleine Teile des Putzes brechen ab. Die Schäden werden umgehend repariert, doch es wird immer klarer: Eine Sanierung muss her.
Schon 2017 heißt es vom Mehrheitseigentümer gegenüber der Bezirkszeitung, es sei noch nicht klar, „ob der vordere Trakt abgerissen und neu gebaut wird und nur der hintere Trakt erhalten bleibt, oder ob beide Trakte generalsaniert werden.“
Im Juni 2018 bringen die Grünen ein Antrag eingebracht, in dem die Stadt aufgefordert wird, mit dem Eigentümer in Kontakt zu treten. Haus Nr. 17 liegt in einem Sanierungszielgebiet, das heißt, der Eigentümer kann eine Förderung für die Sanierung bei der Stadt Wien beantragen.
2020: Eigentümer für Erhalt oder nicht?
Sieht der Mehrheitseigentümer – CPI Immobilien GmbH – vielleicht in der Zwischenzeit doch von den Abrissplänen ab? Darauf deutet zumindest ein Kommentar auf der Facebook-Seite des Unternehmens hin:
Der Verfasser von WienSchauen hat sich in der Folge mit dem Unternehmen in Verbindung gesetzt. Jedoch wurde telefonisch bloß mitgeteilt, dass eine Entscheidung noch ausstehe. Also ist der Abriss doch nicht endgültig vom Tisch.
2021: Die Schutzzone ist da
2017 hat der Bezirk den Wunsch nach einer Schutzzone für das Fasanviertel geäußert. 2021 wurde die Schutzzone schließlich eingerichtet. Seither sind viele Häuser besser vor Abrissen und groben Veränderungen geschützt, auch das Gründerzeithaus am Landstraßer Gürtel 17. Details hier.
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Quellen und weitere Infos
- Schaufenster des Fasanviertels (Wiener Zeitung, 26.7.2017)
- Ungewisse Zukunft für Gründerzeithaus (Bezirkszeitung, 8.8.2017)
- „Millionen mit dem Wohnen“: „Am Schauplatz“-Reportage zeigt, wie billiger Wohnraum nach und nach verschwindet (ORF, 20.9.2017)
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