Der 15. Bezirk bekommt eine neue Schutzzone, erstmals auch im Bezirksteil Rustendorf. Das ist eine deutliche Verbesserung, denn bisher sind erst wenige Häuser im Bezirk auf diese Weise vor Abrissen geschützt. Das Problem dabei: Die geplante Schutzzone ist deutlich zu klein.
Die Bezirksparteien hätten die Chance gehabt, die Verbesserung des Entwurfs zu fordern. Mehr Häuser hätten geschützt werden können. Doch diese Möglichkeit wurde nicht genutzt. Ende Mai 2020 wurde der Plan unverändert im Gemeinderat beschlossen.
Neue Schutzzone kommt - aber reicht das?
Rudolfsheim-Fünfhaus hat ein reiches historisches Erbe. Selbst im sonst wenig bekannten Stadtteil Rustendorf haben sich einige interessante Häuser aus der Zeit um 1900 erhalten. Durch von der Stadt Wien geförderte Sanierungsmaßnahmen – die sogenannte Blocksanierung – wurden in den letzten Jahren viele alte Häuser renoviert. Leistbarer Wohnraum und historische Bausubstanz konnten so gesichert werden.
Anfang 2020 wurde ein Entwurf für einen neuen Flächenwidmungsplan aufgelegt. Das Ziel: Schutzzonen, um die alten Häuser auch baurechtlich gegen Abrisse zu schützen.
Schutzzone zu klein
Eine Schutzzone gab es in diesem Teil des 15. Bezirks die längste Zeit nicht. Zwar bringt der neue Plan mehr Schutz für viele Häuser, doch wurde auf einige erhaltenswerte Gebäude scheinbar vergessen (im Plan grün markiert).
Obwohl sie sich kaum von jenen Häusern unterscheiden, die jetzt geschützt sind: Keines der unten abgebildeten Gebäude wurde in die Schutzzone aufgenommen.
"Explosionshaus" nicht in der Schutzzone
Das Gründerzeitgebäude in der Mariahilfer Straße war 2014 durch eine absichtlich herbeigeführte Gasexplosion schwer beschädigt worden. Mit Hilfe von Fördermitteln der Stadt Wien konnte das alte Haus vollständig wiederhergestellt werden. Auch die Fassade wurde detailgetreu rekonstruiert.
Obwohl die Stadt erhebliche Mittel aufgewendet hat, um das Haus wiederaufzubauen, ist es nicht in die Schutzzone gekommen. Der langfristige Erhalt der Fassade ist somit nicht garantiert.
"Abrisswidmung" für Gründerzeithaus
Das schmucke Gründerzeithaus Ecke Lehnergasse/Avedikstraße scheint überhaupt vergessen worden zu sein: Einerseits fehlt eine Schutzzone für das alte Haus. Andererseits ist für das Grundstück eine sehr hohe Bauklasse festgelegt. Ein Neubau dürfte also deutlich höher werden. Entsprechend hoch ist der wirtschaftliche Druck, der auf dem niedrigen Haus lastet.
Magistrat gegen Magistrat?
Die Initiative Denkmalschutz weist in ihrer Stellungnahme auf ein auffälliges Detail hin:
Bedauerlich ist, dass offenbar den Vorschlägen für Schutzzonen-Festsetzungen von der für das Stadtbild zuständigen Magistratsabteilung 19 von der Magistratsabteilung 21 nicht durchgehend gefolgt wurde.
Das heißt: Die Beamten, die die Bebauungspläne anfertigen, haben also bewusst Häuser nicht für die Schutzzone zugelassen, obwohl diese Häuser schützenswert sind. Folglich kritisierte die Initiative Denkmalschutz, dass ….
… sowohl der Motivenbericht der Magistratsabteilung 19 im Dunkeln bleibt, als auch aus dem Erläuterungsbericht nicht hervorgeht, bei welchen Gebäuden von den Vorschlägen der Magistratsabteilung 19 abgewichen wurde.
Werden also vielleicht sogar einige Häuser gleichsam gezielt zum Abbruch freigegeben?
Schutzzonen können flexibel eingesetzt werden
Dass einige der oben abgebildeten Gebäude vergleichsweise unscheinbar wirken, hat seinen Grund: Rustendorf ist ein verhältnismäßig armer Bezirksteil eines generell einkommensschwachen Bezirks. Prachtbauten à la Ringstraße sucht man hier vergebens.
Doch das ist kein Hindernis für neue Schutzzonen, denn es gilt:
„In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen können die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete (Schutzzonen) ausgewiesen werden.“
Nichts im zitierten Paragraph 7 der Wiener Bauordnung hätte gegen die Aufnahme der oben abgebildeten Gebäude gesprochen, die alle charakteristisch für den älteren Häuserbestand des Grätzls sind.
Schutz auch für einfach gestaltete Häuser möglich
Auch in der Vergangenheit sind schon viele Häuser mit eher unscheinbaren Fassaden erfolgreich in die Schutzzone aufgenommen worden (z.B. Moissigasse 8 in Kaisermühlen). Auch das nur teilweise original erhaltene Frühgründerzeithaus in der Radetzkystraße 24-26 wurde für erhaltenswert befunden, der begonnene Abriss untersagt.
Bezirk will keine Überarbeitung
Der Bezirk hat ein gewichtiges Wort mitzureden: Die Bezirksvertretung – also das Bezirksparlament – kann den Entwurf auch ablehnen und Änderungen fordern. Und nicht selten hat genau das eine neuerliche Überprüfung samt verbessertem Entwurf nach sich gezogen (z.B. in Kaisermühlen).
Alle Bezirksparteien in Rudolfsheim-Fünfhaus haben vom Verfasser dieses Artikels rechtzeitig umfassende Informationen zu den fehlenden Schutzzonen erhalten. Reaktion gab es keine. Einzig die Bezirksvorstehung ließ wissen, dass der Entwurf im Bauausschuss besprochen werde.
Ende März 2020 war zu erfahren, dass der Planentwurf von den Parteien im 15. Bezirk angenommen wurde. Eine Mehrheit für eine Überarbeitung oder auch nur ein Wunsch nach einer Ausweitung der Schutzzone kam nicht zustande. Nur die FPÖ hat gegen den Plan gestimmt. Die wichtige Rolle des Bezirks blieb ungenutzt.
Gemeinderat stimmt Plan zu, keine Änderungen
Am 26. Mai 2020 ist der Plan im Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen worden. Keines der in diesem Artikel besprochenen Häuser ist in die Schutzzone gekommen. Damit ist der langfristige Erhalt dieser Gebäude nicht gesichert.
Hintergrund: Warum Schutzzonen wichtig sind
Rudolfsheim-Fünfhaus liegt gut. Im Osten die hippen Bezirke 6 und 7, im Süden die Meidlinger Hauptstraße und auch das Schloss Schönbrunn ist nicht weit weg. Stadthalle und Westbahnhof, Reindorfgasse und Schmelz sind nur die bekanntesten Ecken eines Bezirks, dessen vergleichsweise günstige Eigentumspreise nicht wenige neue Bewohner und Investoren angelockt haben. Entsprechend viele alte Häuser sind in den letzten Jahren renoviert worden.
Doch die Beliebtheit des Bezirks hat auch eine Schattenseite: Der Verlust schützenswerter Gebäude. Alleine im Jahr 2018 wurden mehrere Häuser binnen kurzer Zeit abgerissen. Besonderes Aufsehen erregte der teilweise Abriss der Biedermeierhäuser Mariahilfer Straße 166-168 (Foto unten links). Die Abbrucharbeiten wurden gestartet, während im Erdgeschoß noch Geschäfte und Lokale geöffnet hatten. Im Juni 2020 wurde bekannt, dass der Abbruch fortgesetzt werden darf.
Auch der Abbruch eines riesigen Wohnhauses am Gürtel hat eine schwere Bresche in das wunderschöne Historismus-Ensemble geschlagen (Foto unten rechts).
Schutz seit den 1970ern möglich - theoretisch
In vielen Wiener Bezirken gibt es Schutzzonen, um solche Abbrüche zu verhindern. Seit 1972 können Häuser auf diese Weise geschützt werden – unabhängig vom Denkmalschutz.
Auch in weiten Teilen des 15. Bezirks haben sich viele historische Gebäude erhalten. Trotzdem sind über viele Jahrzehnte nur sehr wenige Schutzzonen eingerichtet worden. Nur in den roten Flächen auf der Karte sind Häuser besser gegen Abrisse und grobe Veränderungen geschützt:
Jede Partei in der Bezirksvertretung (also nicht nur die stärkste, die den Bezirksvorsteher stellt) kann Anträge für neue Schutzzonen einzubringen. Im 15. Bezirk ist davon erst in den letzten Jahren Gebrauch gemacht worden – zu spät für viele Häuser.
Abrisse durch fehlende Schutzzonen
Die Stadt Wien legt Jahr für Jahr neue Flächenwidmungspläne auf. Erst einmal beschlossen, gelten diese Pläne oft für 20 Jahre oder länger. So kann jeder Plan, der zu wenige Schutzzonen enthält, noch viele Jahre später massive Folgen haben, wie die folgenden Abrisse zeigen:
Das Gebiet, um das es in diesem Artikel geht, ist förmlich umgeben von Hausabrissen:
Neubauten nach Abrissen
Die Folgen fehlender Schutzzonen sind bei einem Vorher-Nachher-Vergleich oft besonders augenfällig. Zwei Beispiele für abgerissene Altbauten und ihre Nachfolger im 15. Bezirk:
Hackengasse 11
Goldschlagstraße 54
Auch im hier besprochenen Bezirksteil Rustendorf wurde bei der Planung eines Neubaus nach einem Abriss kaum Rücksicht auf die historische Umgebung genommen:
Mehr Beispiele für abgerissene Altbauten gibt es unter Verlorenes Wien. Bestürzende Neubauten versammelt wenig gelungene neue Häuser in Wien. Mehr Artikel zum 15. Bezirk sind hier.
Kontakte zu Stadt & Politik
- SPÖ: kontakt@spw.at, Tel. +43 1 535 35 35
- ÖVP: info@wien.oevp.at, Tel. +43 1 51543 200
- Die Grünen: landesbuero.wien@gruene.at, Tel. +43 1 52125
- NEOS: wien@neos.eu, Tel. +43 1 522 5000 31
- FPÖ: ombudsstelle@fpoe-wien.at, Tel. +43 1 4000 81797
(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen und weitere Infos
- Zum Blocksanierungsgebiet Rustendorf: Wohnfonds, Kurier, Bezirkszeitung
- Verlinktes Foto zum Haus Mariahilfer Straße 182: Haeferl, Wien-Rudolfsheim – Haus Mariahilfer Straße 182 nach Gasexplosion, CC BY-SA 3.0
- Zum teilweise zerstören und dann wiederhergestellten Haus Mariahilfer Straße 182: Presse, Wohnfonds, Bezirkszeitung
- Alle Bezirksparteien haben am 30.1.2020 eine umfassende Stellungnahme über die fehlenden Schutzzonen und das zu hoch gewidmete Gebäude erhalten. Auch die für die Pläne zuständige Magistratsabteilung 21 hat diese Stellungnahme bekommen.
- Laut Protokoll der Bezirksvertretungssitzung (S. 4) vom 27.2.2020 hat eine Mehrheit der Parteien für den Planentwurf gestimmt – und sich somit gegen eine Überarbeitung ausgesprochen.
- In der Sitzung des Gemeinderats vom 26.5.2020 wurde dem Plan zugestimmt. Es hat keine Erweiterung der Schutzzone gegeben.
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