Königsegggasse: Kleine schöne Fußgängerzone

Die kleine Gasse mit dem Dreifachkonsonanten ist seit Ende 2019 teilweise eine Fußgängerzone. Damit gibt es nur wenige Schritte von der Mariahilfer Straße entfernt neue Bäume, eine schöne Pflasterung und viel Platz für alle. Gerade für den 6. Bezirk mit seiner hohen Bevölkerungsdichte und den spärlichen Grünflächen ist das eine enorme Verbesserung.

Trotzdem ist der Umbau nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn auch in Mariahilf ist der öffentliche Raum vielerorts alles andere als attraktiv: Grauer Asphalt, wenige Bäume und viel Platz für den motorisierten Verkehr – und das, obwohl es in kaum einem Bezirk Österreichs weniger Autos pro Einwohner gibt als hier.

Königsegggasse vor und nach dem Umbau zur Fußgängerzone, 6. Bezirk, Wien
Königsegggasse vor (2019, links) und nach (2020, rechts) der Umgestaltung zur Fußgängerzone

Königsweg Fußgängerzone

Die Königsegggasse war die längste Zeit alles andere als beschaulich. In der Mitte einer Fahrspur, links und rechts Parkspuren, eine weite graue Asphaltdecke, keinerlei Bäume oder Begrünung – also kaum anders als viele andere Gassen in den Wiener Gründerzeitbezirken.

Königsegggasse, Haus der Begegnung, vor dem Umbau zur Fußgängerzone, Wien-Mariahilf
Königsegggasse vor der Umgestaltung: grauer Asphalt, viele Parkplätze, kein einziger Baum (2019)

2017 kam die Initialzündung für die Neugestaltung: Ein rot-grüner Antrag, der den Umbau von Otto-Bauer-Gasse, Loquaipark und Königsegggasse zum Ziel hatte, wurde in der Bezirksvertretung mit den Stimmen aller Parteien angenommen. Nach einem Bürgerbeteiligungsverfahren starteten 2019 die Bauarbeiten.

verkehrsberuhigte Straßen im 6. Bezirk
Begegnungs- und Fußgängerzonen in Mariahilf (Stand: 2020, ©ViennaGIS, bearbeitet)

Ein Teil der Otto-Bauer-Gasse wurde eine Begegnungszone (Zufahrt und Parken für Autos möglich), die Königsegggasse eine Fußgängerzone. Während die Umgestaltung der Otto-Bauer-Gasse nur auf den zweiten Blick überhaupt zu erkennen ist (Foto unten links), ist die kleine Fußgängerzone in der Königsegggasse eine markante Verbesserung (Foto rechts).

In der Königsegggasse wurden sechs Ulmen gepflanzt. Freuen über die neue Fußgängerzone können sich neben den Anwohnern auch die Betreiber und Gäste des Café Jelinek und des Gasthauses Steman.

Im Sommer 2020 hat sich die neue Fußgängerzone erstmals in voller Blüte gezeigt (Fotos unten). Seither gibt es auch – konsumfrei nutzbare – Sitzgelegenheiten.

Wie sehr sich der öffentliche Raum durch die Fußgängerzone verändert hat, zeigen die folgenden Fotos:

Pflasterung statt Asphalt

Neue Bäume

Schöne, sichere Kreuzung

Zwei Kritikpunkte: Eine Pflasterung aus verfugtem Naturstein, wie auch historisch in Wien üblich, wäre vielleicht noch ein wenig schöner gewesen. Und auch die Metallumfassungen der Baumscheiben wirken nicht unbedingt dauerhaft und nachhaltig. Eine mit Klinkern oder Steinen gemauerte Begrenzung wäre optisch ansprechender und böte außerdem Platz zum Sitzen.

Mariahilf: Wenig Platz für viele Bewohner

Die Nutzung und Verteilung des öffentlichen Raums betrifft alle – Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer, ältere und jüngere Menschen, Alteingesessene und Neu-Zugezogene. Die Lebensweisen, Bedürfnisse und Wünsche unterscheiden sich, und doch muss die Politik einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen schaffen. Warum Umgestaltungen, die die Aufwertung des öffentlichen Raums zum Ziel haben, durchaus ihre Berechtigung haben, legen folgende Daten für den 6. Bezirk nahe:

Kaum Grünflächen

Mariahilf gehört zu den kleinsten Bezirken Wiens. Etwas über 30.000 Menschen leben auf einer Fläche, die über 70 Mal in die Donaustadt – den größten Bezirk – hineinpasst. Zugleich ist der 6. Bezirk einer der am dichtest bevölkerten Bezirke Österreichs. Hier leben zwölfmal so viele Einwohner pro Quadratkilometer wie in der Donaustadt. Mit der enormen Dichte geht auch ein starker Druck auf den öffentlichen Raum einher – und der ist vielfach unattraktiv gestaltet: Weite Asphaltflächen, Parkplätze und Fahrbahnen dominieren. Ansprechende, helle Pflasterungen für Gehsteige sind selten. In vielen Straßen und Gassen gibt es nur wenige oder überhaupt keine Bäume. Nur etwa zwei Prozent des 6. Bezirks sind Grünflächen, während es in der Donaustadt über 50% sind.

Viele Fahrbahnen, wenige Fußgängerzonen

Der öffentliche Raum im 6. Bezirk wird zu einem Großteil für Fahrbahnen und Parkplätze genutzt. Nur 3,4 Prozent der gesamten Verkehrsfläche sind Fußgängerzonen.

Wenige Autos

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag: Es gibt in Mariahilf vergleichsweise wenige PKW. In kaum einem anderen Bezirk Österreichs ist der Motorisierungsgrad niedriger als zwischen Mariahilfer Straße und Wienzeile. Trotzdem ist der öffentliche Raum fast überall auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet. Parkende Fahrzeuge neben immerhin bis zu 15 m² öffentlichen Raum ein und sind rund 23 Stunden am Tag „Stehzeuge“.

Mehr Einwohner - weniger PKW

Seit Jahren sinkt die Zahl der PKW im 6. Bezirk, während die Bevölkerung gleichzeitig wächst. Die zentrale Lage und die gute Erreichbarkeit mit der U-Bahn dürften Gründe dafür sein, warum immer mehr Bezirksbewohner auf ein eigenes Auto verzichten. Auch das geänderte Mobilitätsverhalten jüngerer Menschen kommt wohl in dieser Statistik zum Tragen.

Klimawandel: Es wird ungemütlich

Zusammen mit der hohen Bevölkerungsdichte, den wenigen Grünflächen und dem im Verhältnis geringen Platz für Fußgänger ist es der Klimawandel, der eine Umgestaltung des öffentlichen Raums unausweichlich macht. Wien ist eine jener Städte Europas, in denen die Durchschnittstemperatur am meisten ansteigen wird. Extrem heiße Sommer sind künftig Normalität.

Schon seit den 1950ern ist die Durchschnittstemperatur allmählich gestiegen:

Die Zahl der Hitzetage (Höchsttemperatur min 30°C) hat extrem zugenommen:

Auf der Karte unten ist zu sehen, dass der 6. Bezirk schon jetzt stark von Hitze betroffen ist und bauliche Maßnahmen nötig sind, um die Folgen des Klimawandels abzumildern:

So, wie der öffentliche Raum derzeit überwiegend gestaltet ist, sind wir auf die nächsten Jahrzehnte nur schlecht vorbereitet: Der allgegenwärtige dunkle Asphalt versiegelt die Böden und speichert die Hitze, sodass es nachts keine Abkühlung mehr gibt. Die Anzahl der Tropennächte steigt, die negativen gesundheitlichen Folgen werden größer.

Umgestaltungen wie in der Königsegggasse zeigen, dass es auch anders geht: Die helle Pflasterung heizt sich weniger stark auf als Asphalt, die neuen Bäume werden in einigen Jahren Schatten spenden und zur Abkühlung beitragen.

Nächster Schritt: Gumpendorfer Straße?

Königsegggasse und Otto-Bauer-Gasse sind fertig. Als nächstes könnte die Gumpendorfer Straße an der Reihe sein. In der durch den ganzen Bezirk verlaufenden Geschäfts- und Lokalmeile beherrschen einmal mehr Asphalt und motorisierter Individualverkehr den öffentlichen Raum. Bäume und Grünflächen gibt es nahezu überhaupt keine. Auch der Lärmpegel ist vergleichsweise hoch, denn die dichte Bebauung und zum Teil schmalen Straßenquerschnitte reflektieren den Schall. Und dauerhafter Lärm kann krankmachen.

Verkehr auf der Gumpendorfer Straße, 6. Bezirk, Wien
Gumpendorfer Straße: Transitroute durch den 6. Bezirk

Allzu einfach dürften die Diskussionen und Planungen zu einem Umbau nicht werden, denn der ehrgeizige Plan der Grünen, die Straße auf ganzer Länge zu einer Begegnungszone umzugestalten und den Durchfahrtsverkehr einzudämmen, stößt auf starken Widerstand bei den anderen Parteien. Die SPÖ, die den Bezirksvorsteher stellt, präferiert ein Beteiligungsverfahren mit der Bevölkerung, ebenso die NEOS. Die ÖVP spricht sich klar für den Erhalt der „zentralen Verkehrsader“ aus. Wer immer sich am Ende durchsetzen wird, eines ist klar: Der öffentliche Raum war und ist eine umkämpfte Zone.

Kontakte zu Stadt & Politik

www.wien.gv.at
post@bv06.wien.gv.at
+43 1 4000 06110

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen und weitere Infos

  • Details zur Eröffnung der Fußgängerzone sind in der Bezirkszeitung zu finden.
  • Der 6. Bezirk ist 145,5 Hektar (1,455 km²) groß, der 22. Bezirk 10.229,9 Hektar (102,299 km²).
  • 70,3-mal passt der 6. Bezirk in den 22. Bezirk (in Bezug auf die Fläche).
  • 2019 wohnten 31.864 Personen im 6. Bezirk und 191.008 im 22. Bezirk (Bevölkerung nach Bezirken).
  • Daraus errechnete Bevölkerungsdichte: 21.900 (6. Bezirk) und 1.867 Einwohner pro Quadratkilometer (22. Bezirk).
  • Die Bevölkerungsdichte im 6. Bezirk ist etwa 11, 7 mal höher als in der Donaustadt.
  • In Mariahilf gibt es 3 Hektar Grünflächen (Stadtgebiet nach Nutzungsklassen, Zahlen von 2018). Das sind 2% der Gesamtfläche des Bezirks. 5.607,7 Hektar der Donaustadt sind Grünflächen (54,85% der Gesamtfläche).
  • Der angegebenen Verteilung der Verkehrsflächen liegen Daten von 2018 (also vor der Umgestaltung der Königsegggasse) zugrunde.
  • Die Zahl der PKW pro Einwohner ist beim VCÖ und der Statistik Austria finden.
  • Die für die Berechnungen herangezogenen Flächen der Bezirke Baden und Waidhofen an der Thaya sind von aeiou.at entnommen, die Bevölkerungszahlen von citypopulation.de.
  • Wien wird z.B. laut ORF stark vom Klimawandel betroffen sein.
  • Zu den Reaktionen auf die Umgestaltungspläne der Grünen für die Gumpendorfer Straße siehe Kurier vom 22.1.2020.
  • Zur Kritik der ÖVP an den Plänen zur Gumpendorfer Straße siehe Presseaussendung vom 22.1.2020.
  • Hitzetage: wien.gv.at/statistik/lebensraum/tabellen/eis-hitze-tage-zr.html
  • Die Grafiken auf dieser Seite basieren auf von der Stadt Wien bereitgestellten statistischen Daten: wien.gv.at/statistik/

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